Saga von Dray Prescot 32 - Pandahem-Zyklus 06 - Seg, der Bogenschütze
ist.«
Kreger können zwar gut zweihundert Jahre alt werden – wenn sie nicht vorher aus anderen Gründen ums Leben kommen –, sie verändern sich im Laufe ihres Lebens aber kaum noch, wenn sie die körperliche Reife erreicht haben. Gleichwohl gab es kleine Anzeichen, an denen man das Alter eines Kregers einigermaßen genau ablesen konnte. Ohne diese Möglichkeit hätte es zu unpassenden Bindungen kommen können – zu leidenschaftlichen Romanzen einer Fünfundzwanzigjährigen mit einer Person, die genauso alt aussah, in Wirklichkeit aber hundertundfünfundzwanzig Perioden alt war. Dies mochte den beiden recht sein, es mochte ein herzerwärmendes Beispiel menschlichen Glaubens und menschlicher Liebe sein, konnte sich aber auch als grausamer Trick der Natur gegenüber der zerbrechlichen menschlichen Natur auswirken.
Milsi musterte Seg stirnrunzelnd. Er war offensichtlich – ein reifer Mann, kräftig und in der Welt herumgekommen, ein Mann, der einen großen Reiz auf sie ausübte. Er war einige Jahre älter als sie, doch sprach er nun, als hätten sich diese Ereignisse viele Perioden zuvor ereignet.
»Drays Alter ist ohne Belang«, antwortete er schließlich. »Die Zwillinge sind ein wenig jünger. Sie alle treiben sich in der großen weiten Welt herum und erleben allerlei Abenteuer, und alle meine Gebete an Erthyr haben das Ziel, sie vor den Gefahren des Lebens zu bewahren.«
Genau dieser Schwierigkeit, das wußte Seg, hatte sich auch sein alter Dom oft genug gegenübergesehen. Sie beide hatten im Heiligen Taufteich von Aphrasöe im Zelph-Fluß gebadet – dazu ihre Familien und guten Freunde. Dieses Bad schenkte ihnen ein tausendjähriges Leben, außerdem die Fähigkeit, sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit von schweren Wunden zu erholen. Seg schätzte Milsi auf ein wenig jünger als das Alter, das er nach außen hin verkörperte – ein Alter, das den Jahren entsprach, als er mit der munteren Horde nach Aphrasöe geflogen war, in die Schwingende Stadt. Seither hatte er an Erfahrung und Urteilsvermögen erheblich zugelegt, auch wenn er im Grunde der gleiche wilde, tollkühne Kriegertyp geblieben war.
Unwillkürlich fragte er sich, wie Thelda mit dem seltsamen Umstand fertigwerden würde, daß sie offenkundig nicht so alterte wie ihr Mann Lol Polisto. Soweit Seg wußte, hatte Thelda keine Ahnung, daß ihre Lebenserwartung tausend Jahre betrug. Das war grausam. Seg würde etwas dagegen unternehmen müssen, indem er dafür sorgte, daß Lol ebenfalls in den Genuß des wundersamen Bades kam. Immer wieder hatten er und der Bogandur an allen möglichen Orten Kregens zusammengesessen und darüber diskutiert, wie man mit dem überraschenden Geschenk eines tausendjährigen Lebens fertigwerden sollte – wenn es sich wirklich um ein Geschenk handelte.
Irgendwo mußte eine Grenze gezogen werden – aber wo war diese grausame Linie zu ziehen?
Nun also Milsi ...
Er hatte schon einige grobe Lügen auf der Zunge, mit denen er seine überraschende Ahnungslosigkeit über das Alter seiner Kinder erklären wollte, als plötzlich Bamba aus dem Busch trat. Sie rückte sich ihre Rindenschürze zurecht. Hinter ihr tauchte Diomb auf.
»Seg! Wir müssen ...«
»Bei allen Zersprungenen Targes im Hlabro-Berg!« entfuhr es Seg. »Was ist los?«
»Wir müssen uns verstecken. Eine Boltimgruppe kommt näher – vielleicht nicht in friedlicher Absicht.«
Seg brummte vor sich hin. »Man muß wohl mit dem Schlimmsten rechnen.«
Die kleine Gruppe duckte sich stumm zwischen die Büsche und beobachtete die Fremden, die da heran- und vorbeimarschierten.
Seg zählte die Katakis. Zwanzig Diffs, zwanzig wilde, gierige, unangenehme, tödliche Sklavenjäger, zwanzig Krieger, die den plötzlichen Tod bringen konnten. Mit ihren breiten Nüstern und niedrigen Stirnen, mit dem verfilzten schwarzen Haar, den kreuz und quer stehenden Zähnen und hungrig klaffenden Mäulern boten diese Wesen keinen erfreulichen Anblick. Sie trugen Halbrüstungen und waren mit Speeren und Schwertern und Bögen bewaffnet. Gnadenlos trieben sie Sklaven vor sich her, die zahlreichen Rassen angehörten, und immer wieder riefen sie das häßliche Wort, das die müden Opfer antreiben sollte.
»Grak! Ihr Elenden, grak!«
Seg dachte an Milsi. Unwillkürlich schlossen seine Gedanken auch Diomb und Bamba ein. Nun ja, mit seinen Pfeilen konnte er ein halbes Dutzend erledigen, ehe sie ihn töten würden. Damit war aber weder den armen Teufeln an der Kette noch Milsi und den
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