Saga von Dray Prescot 32 - Pandahem-Zyklus 06 - Seg, der Bogenschütze
hinauf.
Seg hatte gut gerechnet. Es waren etwa noch fünf Körperlängen übrig, als das Seil zu zittern begann und schließlich stillhing. Er wartete darauf, daß das obere Ende festgebunden wurde, und zog daran. Als Antwort spürte er ein beruhigendes Beben in den Fasern. Er tat den Bogen fort, legte beide Hände an das Seil und zog heftig daran. Er ruckte entschlossen, um einen vielleicht schlecht gebundenen Knoten gleich zu öffnen. Das Seil hielt.
Daraufhin begann er wie der kleine Spinlikl Clinglin an dem Seil aufzusteigen. Dabei nahm er nur die Arme zu Hilfe, eine Hand griff über die andere, und er brauchte nur gelegentlich die Füße zu benutzen. Dicht unter der Arkade hielt er inne. Er atmete tief und gleichmäßig. Dies wäre der richtige Augenblick, wollte ein Wächter ihn mit dem Schwert am Kopf treffen oder einfach das Seil durchtrennen ...
Er schob den Kopf über die Kante.
Malindi, Bamba und Milsi starrten ihn an, als wäre er ein Zauberer, der aus einer leeren Schatztruhe spränge.
»Seg!«
»Still!«
Er rollte sich über das Geländer. Zum Reden war keine Zeit, er mußte schleunigst das Seil einziehen. Als er das Ende in der Hand hielt, schnappte er sich Bamba, band ihr die Faser um den Leib und schob sie mit einem strengen: »Kein Aufschrei, Bamba!« über die Seite.
Lautlos ließ er sie in die Tiefe.
»Wenn Bamba still bleibt, kann ich das auch«, sagte Malindi mutig. Sie war starr vor Angst.
Das Seil erschlaffte und begann zu zucken. Bamba war aus der Schleife getreten, und Seg holte das Material zurück. Malindi verschwand mit fest zugekniffenen Augen – und Mund – über dem Geländer.
»Sie ist ein mutiges Mädchen«, flüsterte Milsi. »Ich habe so gebetet, daß du uns retten würdest, Seg, mein Jikai.«
»Still!«
Noch hatte er das Gefühl nicht überwunden, daß sie ihn im Stich gelassen hatte – auch wenn er erkennen mußte, daß solche Vorwürfe nicht berechtigt waren. Er fühlte sich in Milsis Gegenwart irgendwie unbehaglich, beinahe verlegen.
Die Frauen hatten schnell noch einige Kleidungsstücke und Toilettenartikel zusammengerafft. Milsi schaute sich noch einmal im Zimmer hinter den blaugelben Säulen um und legte sich entschlossen die Schleife um. Seg ließ das Material behutsam aus. Es dauerte nicht lange, da erhielt er das ruckende Signal und wußte, daß die drei Frauen unten angekommen waren. Er nahm seinen einzigen Pfeil vom Bogen auf und steckte ihn sich in den Gürtel. Dann glitt er wie eine Echse über das Geländer, stieg am Seil hinab und landete mit dumpfem Laut im Gras.
»Oh, Seg!«
»Gesprochen wird erst, wenn wir in Sicherheit sind!«
Wäre das Seil trocken genug gewesen, hätte er es angezündet, um die Rasts da oben zu verwirren. Aber es war ziemlich feucht, so daß er sich damit begnügte, einen wilden Blick in die Runde zu werfen, der nichts Gutes verhießen hätte für jemanden, der sich ihm in den Weg stellen wollte. Dann führte er die stummen Frauen fort, die sich gegenseitig umfaßt hielten.
Nach einiger Zeit waren die drei Mewsanys erreicht. Hier stellte sich nun ein neues Problem.
»Ich könnte unmöglich reiten, meine Dame!« Malindi preßte sich die Tunika an die Brust. »Ein Satteltier wie für die vornehmen Damen! O nein, meine Dame!«
»Ich soll mich auf das große Ungeheuer hocken?« fragte Bamba.
Seufzend äußerte Milsi: »Wir wurden in einer Kutsche hergebracht, Seg.«
»Ich nehme Malindi zu mir in den Sattel, du nimmst Bamba. Und macht schnell. Im Morgengrauen müssen wir fern von hier sein!«
Segs scharfer Ton ließ sie zusammenfahren.
Die Frauen gehorchten. Nach einiger Zeit wurde auf den dritten Mewsany gewechselt, damit die zusätzliche Last nicht zu groß wurde. Es wurde kein Wort gesprochen; so hatte Seg es angeordnet.
Das Unbehagen blieb, verstärkt durch die Erkenntnis, daß Milsi nichts davon spürte und auch keine Ahnung von der Ursache hatte. Seg ritt absichtlich hinter ihrem Mewsany und hielt vor allem nach hinten Ausschau. Um so plötzlicher erwuchs die Gefahr von vorn, in Form einer langen Kette von Reitern, die hinter einer Anhöhe auftauchte und mit lautem Kriegsgeschrei auf die kleine Gruppe zuraste.
Die Tiere Segs und seiner Begleiterinnen waren erschöpft. Beladen mit zwei Reitern, gab es keine Chance, vor der Kavallerie zu fliehen, die nun im ersten Sonnenlicht zu funkeln begann. Rüstungen schimmerten in rubinrotem und jadegrünem Licht. Lanzenspitzen zuckten wie unter Feuer. Federn wogten. Staub
Weitere Kostenlose Bücher