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Saga von Dray Prescot 32 - Pandahem-Zyklus 06 - Seg, der Bogenschütze

Saga von Dray Prescot 32 - Pandahem-Zyklus 06 - Seg, der Bogenschütze

Titel: Saga von Dray Prescot 32 - Pandahem-Zyklus 06 - Seg, der Bogenschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Burt Akers
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roten Faden, den er vom Rand seines Lendentuchs abgemacht hatte. Eine Spitze brauchte er nicht zu formen.
    Natürlich hätte er einen passenden beweglichen Ast nehmen und die Bogensehne befestigen und es damit versuchen können. Aber er spürte, daß die bevorstehende Situation einen langen – genauer: hohen – und genauen Schuß erforderte. Für einen Bogenschützen aus Loh gab es im Grunde nur eine Möglichkeit, diesen Erfordernissen gerecht zu werden.
    »Jetzt«, sagte er leise und feierlich vor sich hin, »möge Erthanfydd der Genaue diese Arbeit anerkennen und den neugeborenen Bogen segnen.«
    Noch war die letzte Ausschmückung anzubringen. Pflichtgemäß schnitzte er sein Zeichen säuberlich in das Holz. Dieses Zeichen mochte ihm bei dem bevorstehenden Schritt seelisch helfen ...
    Der Bogen fühlte sich in seiner Hand natürlich seltsam an, und dafür gab es viele Gründe. Daß er nicht außenbehandelt wurde, bedeutete, daß er im Auge eines Bogenschützen aus Loh nie ein richtiger Langbogen werden konnte. Was den Pfeil betraf, so mußte er seine ganze Geschicklichkeit der Aufgabe widmen, den Schaft ganz gerade zu gestalten, dafür zu sorgen, daß er nicht zu steif oder zu schwach war für den Druck des Bogens vor dem Schuß.
    Er hatte in verteufelter Eile arbeiten müssen. Und er hatte Hunger. Er suchte zwischen den Zelten der Treiber und fand eine verlassene Schale mit Frischkäse, die er mit den Fingern auskratzte; das Zeug schmeckte wie König Golanfrois Nasentropfen – und jedes Kind wußte, wie die schmeckten. Er schluckte das Zeug hinunter und vermied es, zu energisch durch die Nase zu atmen. Dann erkundete er die angebundenen Tiere und entdeckte eine Rolle Seil, wie er sie brauchte. Die Seile wurden zwischen Pfosten gespannt und bildeten einfache Umzäunungen für die Tiere. Seg warf sich seine Beute über die Schulter und kehrte zwischen die Bäume zurück.
    Eine dünne Faser aus der Leine zu lösen, kostete wiederum Zeit. Die Länge berechnete er mit dem erfahrenen Auge des Schützen. Sicher irrte er sich nicht mehr als um eine Körperlänge. Als er die feine Faser lang genug abgetrennt hatte, wickelte er sie behutsam auf und befestigte ein Ende am Pfeil.
    Dann ergriff er einen Holzsplitter, schnitzte ein Ende nadelscharf zu und machte sich auf den Weg zum Warvol-Turm.
    Die Wächter waren nicht so töricht oder selbstmörderisch veranlagt, daß sie draußen auf der Ebene Posten aufstellten, wo Eindringlinge doch nur durch die eine Tür herein konnten. Seg marschierte zweimal um das Bauwerk herum, schaute sich noch einmal alles genau an und bezog dann tief unter der blaugelben Arkade Stellung.
    Wenn das dort oben nicht die blaue Farbe war ...
    Der Augenblick war gekommen.
    Eilig stach er sich mit dem nadelscharfen Splitter in den linken Daumenballen und ließ einen schwarzschimmernden Tropfen Blut hervorquellen. Mit dem anderen Ende des Splitters und seinem eigenen Blut als Tinte schrieb er auf die Flugblätter des Pfeils: »Hochziehen.«
    Dann säuberte er sich kurz die Hand und ergriff den Bogen. Er hielt ihn wie einen Vertrauten, doch zugleich mit der Behutsamkeit einer neuen Bekanntschaft. Es war ein gutes Gefühl. Hätte er einen seiner eigenen Bogen benutzt, hätte er nur das Holz zu heben, die Sehne zu spannen und zu schießen brauchen. So aber fühlte er sich förmlich in den Schuß hinein, erschnüffelte den schwachen Nachtwind, spürte die Luftbewegung an der Wange. Er schaute empor, und der Bogen folgte ihm.
    Seg schoß den Pfeil ab. Er spürte den Zug, die Anspannung, das Loslassen. Der Pfeil raste empor. Der dünne Faden entrollte sich blitzschnell.
    Der Pfeil stieg vor den Sternen immer höher. Er wandte sich zur Seite, er verharrte. Die Schnur wirbelte hoch und schien zum Pfeil hin im Nichts zu verschwinden. Mit der Plötzlichkeit aller langgestreckter Geschosse verschwand der Pfeil zwischen zwei blaugelben Säulen.
    Kein Licht drang durch die Schießscharten über Seg, und hinter den Säulen war nur eine schwache Helligkeit auszumachen. Seg wartete. Er hielt den dünnen Faden in der Hand. Nach wenigen Augenblicken, die sich in die Länge zogen wie die letzte Zeit vor dem Zahltag, ruckte die Schnur in seiner Hand. Er zupfte vorsichtig dreimal daran und schaute dann zu, wie er langsam nach oben gezogen wurde.
    Die kurze Pause, die eintrat, als das schwere Seil anzuheben war, amüsierte ihn. Der Unbekannte, der da oben zog, griff sodann erneut zu und zog das Seil an der Flanke des Turms

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