Sagen aus dem Rheinland
das nahende Verderben. Sein frommer Sinn sagte ihm sogleich, daß Gottes Strafgericht drohe, weil die Dorfbewohner vom frommen Väterbrauch abgewichen waren. Um das Versäumte nachzuholen, steckte er seinen Hut auf den Hirtenstab und zog, gefolgt von seinen Schafen, mit Gebet und Gesang um den See. Alsbald beruhigte sich die zürnende Flut, mehr und mehr trat sie zurück, und als der Schäfer den Umgang beendet hatte, lag der Wasserspiegel wieder ruhig und friedlich wie sonst an stillen Frühlingstagen.
Der Schmied und die Zwerge von Müngsten
Bei Müngsten im Wuppertal wohnten Zwerge in steilen Felsen auf dem rechten Ufer des Flusses. Einmal kam um Mitternacht ein Hammerschmied vom Wirtshaus des Weges daher. Als er in die Gegend der Zwerglöcher gelangte, blieb er verwundert stehen; er hörte ganz deutlich helles Lachen und Jauchzen. Und da sah der Schmied auch schon im Mondschein die kleinen Kerlchen zwischen den Bäumen und Felsen herumspringen; manche warfen vor Vergnügen ihre Mützen in die Luft und fingen sie wieder auf, andere tanzten lustig das Flußufer entlang. Auf einmal gab's ein lautes Jammern. Einem der kleinen Schelme war die Mütze in die Wupper gefallen, alle rannten hin und sahen entsetzt, wie das Käppchen fortschwamm. Was sollte der Arme machen? Ohne seine Mütze war er ja kein richtiger Zwerg mehr! Das tat nun dem guten Hammerschmied leid; er stieg ins Wasser, fischte die Mütze heraus und gab sie dem Zwerg, der sich sehr darüber freute.
Der Schmied ging nun nach Hause, stellte sich noch Roheisen an den Amboß zurecht, weil er früh an die Arbeit gehen mußte, und legte sich dann zu Bett. Als er aber am andern Morgen die Schmiede betrat, fand er statt des Roheisens den schönsten Stahl vor. Und das ging nun so fort, Nacht für Nacht; bald war er der wohlhabendste Mann in ganz Remscheid. Aber die Neugierde, wie das mit dem Eisen zuging, ließ den Mann nicht ruhen.
Eines Abends versteckte sich der Schmied hinter dem Blasebalg; bald hörte er auch ein feines Geräusch, und herein kam der Zwerg, dem er damals geholfen hatte, mit einem Schurzfell angetan, eine silberne Lampe in der Hand. Der Schmied mußte sich bemühen still zu sein, um nicht loszuplatzen, so spaßig sah der kleine Mann aus. Nun holte der Zwerg sein Hämmerchen aus dem Schurzfell und fing an zu hämmern. Die Schläge hörte man kaum, aber das Eisen dehnte sich wie Wachs, und in wenigen Stunden lag der Stahl fertig da.
Nun wollte sich der Hammerschmied auch nicht lumpen lassen; er bestellte bei dem besten Schneider ein goldgesticktes Wämschen für seinen kleinen Gesellen und legte es ihm am Abend, fein verpackt, hin. Das Männchen kam, öffnete vorsichtig das Paketchen und lachte übers ganze Gesicht vor Freude. Schnell hatte es sein graues Röckchen aus- und das neue angezogen, besah sich von oben bis unten und rief: »Wat brukt en Jonker te schlipen, de en ruaden Rock anhett?«, und ließ sich seitdem nicht mehr sehen.
Einstens sind Zwerge öfters bei Schmieden und anderen Arbeitern eingekehrt und haben ihnen geholfen. Leider sind diese Zeiten verklungen!
Der Schnutenteich bei Mettmann
Hart am Wege von Gruiten nach Mettmann, ungefähr auf der Hälfte, liegt der von der Bevölkerung der dortigen Gegend gefürchtete und gemiedene »Schnutenteich«.
Fast jedermann weiß eine Reihe von Geschichten zu erzählen, welche alle darin übereinstimmen, daß dort den Leuten zu nächtlicher Stunde auf geheimnisvolle Weise das Geld aus der Tasche geraubt wird.
»Das tun die bösen Geister«, setzt der Landmann geheimnisvoll hinzu.
Der Schwanritter
Herzog Gottfried von Brabant war gestorben, ohne männliche Erben zu hinterlassen; er hatte aber in einer Urkunde gestiftet, daß sein Land der Herzogin und seiner Tochter verbleiben sollte. Hieran kehrte sich jedoch Gottfrieds Bruder, der mächtige Herzog von Sachsen wenig: sondern bemächtigte sich, aller Klagen der Witwe und Waise unerachtet, des Landes, das nach deutschem Rechte auf keine Weiber erben könne.
Die Herzogin beschloß daher, bei dem König zu klagen; und als bald darauf Carl nach Niederland zog, und einen Tag zu Neumagen am Rheine halten wollte, kam sie mit ihrer Tochter dahin und begehrte Recht. Dahin war auch der Sachsen Herzog gekommen, und wollte der Klage zu Antwort stehen. Es ereignete sich aber, daß der König durch ein Fenster schaute; da erblickte er einen weißen Schwan, der schwamm den Rhein herdan und zog an einer silbernen Kette, die hell glänzte, ein
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