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Sagen aus Niederösterreich

Sagen aus Niederösterreich

Titel: Sagen aus Niederösterreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Stelle. Dann kam ein breitbrüstiger, stiernackiger Bursche an die Reihe, der Holz auf seinem Rücken hacken ließ, und der nächste lief mit dem Kopf an die Wand und brachte sie zum Einsturz – allerdings war es nur eine Bretterwand.
    Ein stämmiger Junge aber war abseits stehengeblieben und schien alle diese Kraftäußerungen verächtlich zu beobachten. Das war nun Herrn Albero aufgefallen. Er trat zu dem Burschen und fragte ihn leutselig: »Nun, mein Lieber, willst du deine Kräfte nicht mit den andern messen, oder wird dir vielleicht bange, wenn du siehst, was jeder imstande ist?«
    »Herr«, gab der Bauernbursche zur Antwort, »ich bin bereit, meine Kraft zu erweisen, und habe keine Furcht, den andern nachzustehen. Im Gegenteil, was ich Euch als Probe meiner Kraft vorzeigen will, wird mir wohl keiner so bald nachmachen. Dort oben im Wald liegt ein mächtiger Felsblock, den sechs Männer mit ausgespannten Armen nicht umfassen können. Wenn es Euch recht ist, will ich ihn mit einer Hand in Bewegung setzen.«
    Man kannte den Stein und hielt es für unmöglich, den riesigen Block zu bewegen. »Junge«, sagte einer der Gäste des Burgherrn, »hüte deine Zunge und unterstehe dich nicht, deinen Herrn mit deiner eitlen Großsprecherei mutwillig in den Wald zu locken!«
    Der Junge aber beharrte auf seiner Behauptung und führte den Ritter, der sehen wollte, was an der Sache wahr sei, auf den Hiesberg. Viele Herren und Damen schlossen sich an. Es lag aber in der Nahe der Burg, eingeklemmt zwischen zwei spitzen Felsen, ein losgerissener ungeheurer Felsblock, der ein Gewicht von vielleicht siebenhundert Zentnern haben mochte. Er ruhte derart im Gleichgewicht, daß ein Knabe fähig war, ihn merklich zu bewegen, wenn er an der richtigen Stelle zugriff, während ihn sonst die vereinte Kraft von dreißig Männern nicht aus seiner Lage zu bringen vermochte. Der Junge wußte um dieses Spiel der Natur oder hatte es vielleicht sogar als erster entdeckt, jedenfalls setzte er vor den Augen des erstaunten Burgherrn und seiner Gäste den Felsblock in wackelnde Bewegung und erfüllte so sein Versprechen.
    Dieser Beweis von Klugheit und List, verbunden mir aufrechter Bescheidenheit, gewann dem Burschen die Gunst des Schloßherrn und verschaffte ihm ohne weitere Kraftprobe die Stelle eines Leibdieners bei Albero von Zelking.

Der Wein aus der Burgruine Greifenstein
    Ein armer Arbeiter aus Greifenstein feierte einst die Taufe seines siebenten Kindes. Weil man dem Taufpaten bei so einem Fest denn doch einen kleinen Imbiß und einen Schluck Wein vorsetzen muß, hatte er sich mit den letzten Groschen ein Krüglein Wein beschafft, das aber bald ausgetrunken war. Da sich's nun mit trockener Kehle gar nicht gut redet, der Geldbeutel des Mannes aber ganz leer war, wollte er doch wenigstens seinen guten Willen bezeugen, gab seinem ältesten Mädchen den Krug in die Hand und sagte: »Geh und hole uns Wein!« Und als das Kind Geld dazu haben wollte, meinte der Vater: »Du brauchst kein Geld. Geh zur Burgruine hinauf, dort wird man dir auch ohne Geld Wein geben; in den Kellern dort oben gibt's Wein zum Ertrinken!«
    Die einfältige Kleine ließ sich das nicht zweimal sagen und lief hurtig zum Schloß auf dem Felsen. Die Dunkelheit brach schon herein; aber als sie zur Ruine kam, waren alle Fenster hell erleuchtet, und drinnen ging es gar lustig zu, obwohl die Burg schon seit Jahrhunderten unbewohnt war. Am Tor stand eine schöne weißgekleidete Frau, die an der Seite einen großen Schlüsselbund trug. Ohne lang zu fragen, nahm sie der Ankommenden das Krüglein aus der Hand und deutete ihr zu warten. Doch schon nach kurzer Zeit erschien sie wieder, übergab dem Mädchen den bis zum Rand gefüllten Krug und sagte:
    »So mein Kind, hier hast du den Wein, und wenn dein Vater wieder nach einem guten Trunk Sehnsucht hat, soll er dich nur wieder herschicken. Er darf aber niemandem sagen, woher der Wein kommt«
    Das Mädchen bedankte sich und lief mit dem vollen Krug nach Hause. Als man den Wein kostete, waren alle des Lobes voll über das herrliche Getränk. Schon am nächsten Festtag schickte der Vater seine Tochter wieder um den köstlichen Trunk nach der Burgruine, und wieder brachte das Mädchen ein Krüglein voll des edelsten Weins. Sooft in der Folge ein kleines Fest im Haus gefeiert wurde, bezog der Hausherr ohne Bezahlung seinen Wein aus dem Burgkeller. Immer erschien die weiße Frau dem Kind, das den Wein holte, und füllte das mitgebrachte

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