Sagen aus Oberösterreich
sollte, das mag wohl einleuchten, und sie suchten den Bau der Straße zu verhindern – und als dies nicht gelang, hinauszuzögern.
Schon in den ersten Tagen des Baues machten sich die Unsichtbaren bemerkbar. Jeden Morgen war ein Teil der Arbeit des Vortages wieder vernichtet, man mußte so immer wieder Stunden aufwenden, um auszubessern, und es trat von Anbeginn an schon eine große Verzögerung ein. Da man schließlich nicht glauben konnte, daß ein Mensch Interesse hätte, das Werk zu verhindern, dachte man bald an die Unheimlichen des Grettenbergwaldes. Und richtig! Man versuchte es mit Weihwasser, das man am Abend über die letzte Arbeit sprengte, und am nächsten Morgen fand man die Arbeit, wie sie verlassen worden war und in Ordnung.
Da griffen die Unheimlichen zu einem anderen Mittel: Als es zwölf Uhr Mittag wurde und die Arbeiter nicht sogleich die Arbeit einstellten, um zu essen, ertönte vom Walde her ein mächtiger Ruf. Die Arbeiter sahen wohl erstaunt auf, legten aber Schaufel und Krampen nicht sofort weg. Da fuhr plötzlich ein Windstoß vom Walde her nieder und es stand auf einem Felsen, der mitten in einem der Bergäcker aufragt, ein Mann, in einen dunklen Radmantel gehüllt, und rief mit gewaltiger Stimme:
»Es schlägt zwölf!« und er verschwand wieder.
Da hielten sie ihre Mittagspause.
Dasselbe geschah um Punkt fünf Uhr. Da wußten sie, daß der Böse nicht duldete, wenn sie auch nur eine Minute länger arbeiteten als vorgeschrieben war. Konnten die Unheimlichen schon den Bau der Straße nicht verhindern, so wollten sie ihn doch hinauszögern.
Seit aber die Straße fertig ist, ist der Mann im Radmantel endgültig verschwunden, er zeigte sich nie wieder.
Holzmännlein und Holzweiblein
Den kleineren Männlein und Weiblein aber, deren es unzählige geben soll, kann man noch heute begegnen, wie die Bewohner der Gegend versichern.
So sah ein Bauer einmal ein kaum einen halben Meter hohes uraltes Weiblein, das in seinen riesigen Buckelkorb Fichten- und Tannenzapfen sammelte. Plötzlich aber wandte es sich an den Bauer und befahl ihm, den Korb zu tragen und ihm zu folgen. Den Bauern aber faßte der Schreck und er lief davon, so rasch er nur konnte.
Am nächsten Morgen aber war seine Heuwiese mit Tausenden von Zapfen übersät, die er erst mühsam wegschaffen mußte, ehe er sein Heu trocknen und einführen konnte. Es blieb rätselhaft, wie das kleine Weiblein die unzähligen Körbe voll Zapfen über die Wiese gestreut hatte. Sicher hatte ihm das ganze kleine Volk des Grettenbergwaldes geholfen.
Der Kampf mit dem Drachen zu Laufen im Oberland
Im Oberland oberhalb von Laufen hielt sich vor langer Zeit in einer düsteren Höhle ein mächtiger Lindwurm auf, der die ganze Umgebung mit Furcht und Grauen erfüllte. Wochen- und monatelang schlief das Untier in seiner vom Volk ängstlich gemiedenen Behausung und rührte sich nicht, nur das rasselnde Schnarchen des Ungeheuers drang nach außen. Wenn aber der Hunger den scheußlichen Lindwurm aus dem Schlafe weckte, kam er aus dem finsteren Loch gekrochen, und alle Lebewesen, ob Mensch oder Tier, die in den Bereich seines giftigen Pesthauches gerieten, waren verloren. Betäubt fielen sie zu Boden und wurden eine Beute des schrecklichen Drachen.
Um zu verhindern, daß das gefräßige Untier aus seiner Höhle herauskomme, in der Gegend herumstreife und so noch größeres Unheil anrichte, beschlossen die Bewohner, ihm sein Futter, Ochsen und Kühe, vor das Drachenloch zu bringen. Aber der Futterverbrauch des Drachen war so gewaltig, daß sich die Viehbestände auf den Almen bedenklich lichteten. Da entschloß man sich, den Versuch zu wagen, den Lindwurm zu töten.
Ein ausgehungerter Ochse, dem man einen Futtersack vor dem Maule anbrachte, sollte mit verbundenen Augen zum Drachenloch getrieben werden. Um den Leib des Ochsen wurden mehrere Säcklein mit ungelöschtem Kalk gebunden in der Hoffnung, der Drache werde sie beim Fressen mit hinabschlingen und daran zugrunde gehen. Es erhob sich nun die Frage, wer den Ochsen in die Höhle des Lindwurms treiben sollte. Das war ein gefährlicher Gang; den wenn der verderbliche Hauch des Untieres den Treiber erreichte, war er verloren; daher sollte das Los entscheiden. Es traf den Schulzen des Ortes, der sich unter dem Jammer seiner Familie anschickte, den gefährlichen Weg anzutreten. Da sprang ein junger Bursche vor, der die Tochter des Schulzen liebte, und erklärte sich bereit, an seiner Stelle den Gang zum
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