Sagen aus Oberösterreich
Erdboden schien zu schwanken, und Schutt und Felstrümmer kollerten über die grünenden Halden. Zu Stein erstarrt standen der Riese und seine Tochter und neben ihnen der vom Zorn des Riesen betroffende Ritter, dessen fluchwürdige Habgier dieses grausige Ereignis verursacht hatte.
Als die erschrockenen Talbewohner aus ihren Häusern stürzten, sahen sie oben auf dem Berge, wo das Reich des Riesen sich ausgedehnt hatte, an Stelle der blühenden Almen nackte Felsen und wildes Geröll. Noch heute kann man in der Felsgestaltung den Körper des Riesen Krippen erkennen, an seine Schulter gelehnt aber schläft seine blinde Tochter. In einiger Entfernung von ihnen ragt die zu Stein gewordene Gestalt des Däumlings aus den Felsen empor.
Der Mondsee
Tief unten am Grund des Mondsees erhebt sich ein kleiner Hügel. Hier stand voreinst, als es noch keinen See gab, ein wunderschönes Schloß, und an den Burghang gelehnt breitete sich inmitten fruchtbarer Äcker und Wiesen eine blühende Ortschaft mit einer zur Andacht ladenden Marienkirche aus. Die Bewohner des Dorfes waren gottesfürchtige, fleißige Bauern, die die ganze Woche hindurch emsig ihrer Arbeit nachgingen, den Sonntag aber in frommer Gläubigkeit dem Herrn weihten. Der Ritter dagegen, der auf der Burg saß, war ein gottloser, grausamer Herr, der sein Gefallen daran hatte, seine Untertanen zu schinden und zu bedrücken und die Nachbarburgen zu überfallen und auszuplündern. Die Sonn- und Festtage verbrachte er lieber bei ausschweifenden Sauf- und Freßgelagen im Kreis gleichgesinnter Standesgenossen, als einen Fuß ins Gotteshaus zu setzen. Doch die strafende Hand des Herrn schwebte schon über ihm.
Eines Nachts erschien dem Pfarrer des Dorfes im Traum die Muttergottes und forderte ihn auf, den Ort mit allen Bewohnern schleunigst zu verlassen, da der Zorn Gottes die Burg und den Ort in kurzer Zeit schwer treffen werde. Gehorsam vollzog der Pfarrherr die himmlische Weisung und verließ mit seinen Pfarrkindern traurig das geliebte Heimatdorf. Mit all ihren Habseligkeiten beladen, zogen sie von dannen und siedelten sich an der Stelle an, wo heute der Markt Mondsee liegt. Der Ritter betrachtete von der Burg aus mit seinen Zechkumpanen den Abzug der Dorfleute und rief ihnen höhnische, spottende Worte nach. Dann kehrte er mit seinen grölenden Gästen fluchen zur Tafel zurück und verbrachte wie üblich den Tag mit Saufen, Spielen und Lästern, bis die Nacht hereinbrach.
Aber während der fluchwürdige Burgherr und seine üblen Gäste noch ahnungslos ihrem gottverhaßten Tun frönten, umdüsterte sich schon der Himmel, und das göttliche Strafgericht nahte. Ein schweres Unwetter zog auf, Blitz auf Blitz zuckte hernieder und schlug in die Burg ein. Flammen stiegen zum Himmel, Wasser quoll aus unterirdischen Spalten und erfüllte das Tal mit rasender Schnelligkeit. Das brennende Schloß versank mit dem Burgherrn und allen seinen Bewohnern und Gästen in einem sich öffnenden Schlund, die steigenden Wasser schlossen sich über der Burg und überfluteten auch die Häuser des Dorfes, das mit dem Schloß zugrunde ging.
Am anderen Morgen aber breitete sich dort, wo Burg und Ortschaft gestanden waren, ein weiter, weiter See aus, der wegen seiner mondförmigen Gestalt den Namen Mondsee erhielt. Bei klarem Wetter soll man inmitten des Sees weit unten in den dunkelgrünen Fluten noch die Spitze des Kirchturms und die Zinnen der Burg zu erkennen vermögen. Zuletzt hat sie vor nahezu hundert Jahren ein Fischer gesehen, der auch die johlenden Stimmen von Zechern zu hören vermeinte.
Der Nonne Heimweh
Die tiefe Heimatverbundenheit, die Liebe zur Scholle, spricht aus vielen Sagen der Mühlviertler Bauern. Die Sehnsucht treibt gar manche hinaus in die Welt, aber keiner vergißt sein Zuhause, glücklich sein kann ein Mühlviertler doch nur daheim.
Ein Bauernmädchen hatte die Gottesliebe und die Frömmigkeit weg von der Heimat in ein Kloster geführt, viele Tagereisen weit entfernt. In seinem Elternhaus aber stand die Kammer des Mädchens Jahr um Jahr unberührt und unbewohnt, obwohl es ja keine Rückkehr für die Nonne gab.
Jahrzehnte waren dahin und die Nonne legte sich nieder, um zu sterben, fern der Heimat, nur die Sehnsucht trieb ihren Geist in der letzten Stunde zurück.
Entsetzen faßte die Hausbewohner, als plötzlich die düstere Gestalt der Klosterfrau im Zwielicht des Abends über den Hof ging, an der Stube vorbei und in ihre Kammer hinauf. Sie öffnete Laden und
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