Sagen aus Oberösterreich
Truhen, verrichtete ein Gebet vor dem kunstlosen Madonnenbild, dem sie ihre kindlichen Nöte geklagt hatte; sie blickte aus dem Fenster, das Bild der Heimatflur zu schauen, und dann verließ sie ebenso schweigend den Hof, wie sie gekommen war. Auf der Dorfstraße aber war sie weit und breit nicht zu sehen gewesen.
An demselben Abend, zu derselben Stunde, war sie in dem fernen Kloster zur ewigen Ruhe eingegangen, wie die Hofleute einige Tage später erfuhren.
Der Riese von Pfarrkirchen
Pfarrkirchen liegt inmitten von riesigen Wäldern auf dem Gipfel einer Anhöhe südlich des Ameisberges und man sieht von hier weit in das Land, in dem sich Bergkuppe an Bergkuppe reiht, soweit das Auge reicht. Die Wälder sind der ganze Reichtum des Landes und heute noch kann man in ihnen stundenlang gehen, ohne an das Ende zu kommen. Vor Jahrhunderten reichten sie noch weiter, die Felder waren noch kleiner gewesen, die Bauern hatten nur so viel gebaut, als sie an Kartoffeln und Brotgetreide und Kraut für sich selber und Hafer für die Tiere brauchten.
Noch weiter zurück – so erzählt man sich – waren die Wälder noch ausgedehnter gewesen, undurchdringlich, finster und unbekannt.
Im Pfarrkirchner Wald also soll vor langer Zeit ein Riese gewohnt haben. Er tat den Bauern nichts Böses, aber sie wagten trotzdem nicht, tief in den Wald einzudringen. Sie gingen seinem Revier aus dem Wege und blieben am Rande des unermeßlichen Waldes. Es wuchsen schon dort genügend Beeren und Pilze für sie und Holz war auch rundum genügend vorhanden.
Manchmal sahen sie den Riesen von einer Höhe niederschauen, manchmal hörten sie das Holz knacken, wie er durch den Wald ging und die kleinen Bäume unter seinen Tritten zerbrachen; da trachteten sie dann, möglichst rasch weiterzukommen, um ihm nicht begegnen zu müssen.
Einmal hörten sie sogar seine Stimme weithin schallend ein Lied singen; und erstaunt horchten sie auf, denn es war ein frommes Lied, das sie selber in der Kirche sangen.
Doch sie wagten trotzdem nicht, in seine Nähe zu kommen.
Nun lebte in Pfarrkirchen ein schönes, stattliches Mädchen, die Tochter eines Bauern. Es hieß Christina, war immer fröhlich und fleißig und jedermann hatte sie gerne.
Eines Tages nun war Christina auf dem Acker ihres Vaters, um Erdäpfel zu holen. Da bemerkte sie plötzlich, als sie von ihrer Arbeit aufsah, am Rande des an das Feld angrenzenden Waldes den Riesen stehen. Groß wie die Tannen war er und seine Hände glichen den Körben, in denen man die Streu für die Tiere trägt oder die Erdäpfel bei der Ernte sammelt, um sie zu zweit zum Wagen zu schleppen. Seine Füße waren groß wie Baumstümpfe und sein Mund in dem mächtigen Gesicht war groß genug, um einen ganzen Hasen auf einmal zu essen.
Christnna erschrak sosehr, daß sie kein Wort herausbrachte und nur auf den Riesen hinstarrte. Dieser aber redete sie mit seiner mächfigen Stimme an:
»Habe keine Angst vor mir, Mädchen. Ich habe dich schon oft beobachtet und heute bin ich da, um dich zu fragen, ob du meine Fnau werden willst.«
Da der Riese mit menschlichen Worten sprach, begann Christina Mut zu fassen und sie antwortete:
»Dein Antrag ehrt mich, aber ich kann dich nicht heiraten, ich liebe dich doch nicht.«
»Du wirst mich schon lieben lernen, wenn du erst bei mir im Wald bist und so herrlich frei lebst wie ich. Komm nur mit mir. Du sollst es nicht bereuen.«
Christina wußte zuerst keinen Rat, aber dann griff sie zur List. Sie sagte:
»Ich muß erst meinen Vater fragen.«
»Gut, das seh ich ein. Aber sag ihm gleich, daß ich keinen Spaß verstehe, wenn er Nein sagt. Dann werde ich dich eben holen.«
»Nein, das darfst du nicht«, sagte Christina.
»Ich erwarte dich morgen um die gleiche Zeit.«
So sprach er und dann ging der Riese mit großen Schritten in den Wald zurück und verschwand rasch zwischen den dunklen Fichten und Tannen. Es knackte unter seinem Tritt noch lange im Unterholz, die Bäume rauschten, wie er sie auseinanderbog, um zwischen ihnen hindurchzugehen.
Christina aber lief heim und erzählte weinend von dem Verlangen des Riesen. Ihr Vater aber lachte nur.
»Er soll nur kommen, wir werden ihn fangen und binden. Du brauchst ihn nicht zu heiraten. Bleib nur fein zu Hause, daß er dich nicht findet.«
Christina ging also nicht am nächsten Tag hinaus, sondern versteckte sich daheim in der dunkelsten Kammer. Die Bauern aber, die der Vater alle verständigt hatte, versteckten sieh hinter ihren Häusern
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