Sagen aus Oberösterreich
und warteten auf das Erscheinen des Riesen.
Dieser kam auch pünktlich zur verabredeten Stunde und schaute vom Waldrand her auf den Acker und auf das Dorf. Er wartete eine Weile, als aber Christina nicht erschien, begann er laut zu schreien, daß alles rundum dröhnte:
»Wo bleibst du, Christina? Dein Freier ist da! Muß ich dich holen?«
»Christina wird nicht kommen!« rief ihr Vater, so laut er konnte und trotzdem klang es wie das Rufen eines Kindes gegenüber der mächtigen Stimme des Riesen.
»Warum nicht?« fragte der Riese.
»Weil ich es ihr verbiete und sie dich nicht will.«
»Sie will mich wohl, das weiß ich genau!« rief der Riese, drehte sich um und hob einen Felsen auf, der im Walde lag. Er warf den riesigen Block mitten auf das Feld mit solcher Wucht, daß er tief in die Erde fuhr und ein großes Loch im Acker entstand. Und noch einen solchen Felsblock nahm er und warf ihn auf die angrenzende Wiese und noch einen und noch einen. Diese Löcher füllten sich später mit Wasser und so sollen die »Schwelen«, die kleinen Teiche, die man überall findet, entstanden sein, sagt man.
»Ich komme morgen wieder um diese Zeit!« rief der Riese. »Und wenn mich morgen Christina wieder nicht erwartet, werde ich euch alle zerquetschen, wie Fliegen.«
Dann stapfte er wieder davon.
Die Bauern berieten, was sie tun sollten. Die einen meinten, Christina müßte dem Riesen als Weib folgen, um Unglück von dem Dorf abzuwenden, die anderen – das waren die Eltern und nächsten Verwandten Christinas – meinten, der Riese werde schon von seiner Idee ablassen, wenn er sehe, daß Christina ihn wirklich nicht wolle. schließlich lebte er schon so lange im Wald neben ihnen, ohne Unheil anzurichten, warum sollte er plötzlich bösartig werden?
So kam der nächste Tag und sie waren noch immer nicht einig.
Wieder stand der Riese am Waldrand und seine Stimme dröhnte wie Sturmbransen zum Dorf herüber.
»Wo bleibt meine Braut? Ich warte noch fünf Minuten, dann hole ich mir den nächsten heraus und zerquetsche ihn.«
Die Bauern verkrochen sich in ihren Häusern, es herrschte Totenstille im Dorf.
Da ging der Riese mit wenigen Schritten auf das Dorf zu, stieß einfach die Türe des ersten Hauses auf und griff hinein. Er erwischte einen Jungen von achtzehn Jahren, er hob ihn einfach zu sich heraus und packte ihn so fest am Arm, daß dieser zerquetscht und leblos an ihm herunterhing. Der Jüngling schrie vor entsetzlichen Schmerzen und fiel wie tot auf dem Acker zusammen.
Der Riese drehte sich um und wieder rief er:
»Morgen konrme ich wieder und morgen geschieht ein Unglück!«
Er stapfte davon.
Der Jüngling war übel zugerichtet. Der Arm war so zerbrochen, daß er nie mehr richtig zu gebrauchen war.
Christina aber konnte all das Unheil nicht mit ansehen und beschloß, das Opfer auf sich zu nehmen. Am nächsten Tag schnürte sie ihre Habseligkeiten in ein Bündel zusammen, und als es gegen Mittag ging, stahl sie sich zum Hof hinaus und lief dem Walde zu. Sie dachte, sie würde wohl sterben, wenn sie des Riesen Frau werden sollte – aber besser, sie allein starb, als es käme Unglück über das ganze Dorf. Sie kam zum Wald, genau an die Stelle, wo der Riese immer erschienen war. Sie saß klopfenden Herzens auf einem Fels und wartete.
Da kam der Riese gegangen. Als er Christina sah, kniete er nieder, so daß er sie nicht mehr als zwei Meter überragte, und sein Gesicht war freundlich und gar nicht so häßlich, wie sie zuerst geglaubt hatte.
»Hab Dank, Christina, daß du gekommen bist. Du sollst es nicht bereuen. Ich will dich auf meinen Armen durch den Wald tragen und du sollst nie mehr arbeiten und Sorge haben, denn ich kann mit meinen Riesenkräften alles tun, was du willst.«
Er nahm sie wirklich auf die Arme und ging mit ihr davon.
Als die Eltern das Fehlen des Mädchens merkten, waren sie sehr verzweifelt, aber schließlich fügten sie sich in ihr Schicksal und gedachten Christi, wie man einer Toten gedenkt.
Viele Jahre hörte man nichts mehr von dem Riesen und Christina.
Einmal aber erschien Christina bei ihren Eltern. Sie trug ein Kleid aus Silber und eine Kette aus blutroten Granaten, wie sie im Fels des Urgebirges vorkommen; sie hatte ein gesundes und fröhliches Aussehen und hatte einen Sohn und eine Tochter mit, die beide schon als Kinder größer waren als Christina selbst. Sie waren scheu und ängstlich und sagten, sie wollten nicht zu den Menschen kommen, im Walde wäre es herrlich. Auch
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