Sagen des klassischen Altertums
Gedichte sowie deutscher Prosa zusammen und erneuerte Rollenhagens ›Froschmäuseler‹ aus dem sechzehnten Jahrhundert. Die schönsten deutschen Volksbücher und Sagen hat er nacherzählt, Werke von Paul Fleming, Andreas Gryphius und – gemeinsam mit seinem Sohne Chr. Th. Schwab – von Friedrich Hölderlin herausgegeben und eine zu ihrer Zeit verdienstliche Schiller-Biographie (1840) verfaßt.
Zum Bilde seiner umfänglichen literarischen Tätigkeit gehören ferner seine Übersetzungen (Uhlands Gedichte ins Lateinische; Dichtungen von Lamartine, Barthélemy und Méry sowie von Victor Hugo ins Deutsche) und seine poetischen Landschaftsschilderungen und Wanderhandbücher über die Neckarseite der Schwäbischen Alb (1823), den Bodensee und Teile des Rheintales (1827) und das Schwabenland (1837).
Zu Gustav Schwabs klassischer Bildung war bereits am Stuttgarter Gymnasium der Grund gelegt worden. In Tübingen hatte er sich weitere zwei Jahre philologischen und in zunehmendem Maße klassisch-philologischen Studien gewidmet, als Repetent am Stift hielt er Horaz-Vorlesungen für die Famuli, und am Stuttgarter Gymnasium war ihm der Unterricht in den alten Fächern übertragen worden. Es nimmt nicht wunder, daß dieser volkspädagogisch veranlagte Mann auch bemüht war, seiner Zeit das klassische Altertum nahezubringen.
Bereits 1826 übernahm er mit G. L. F. Tafel und C. N. Osiander die Herausgabe der seit 1827
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Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
erscheinenden Reihe Übersetzungen griechischer und römischer Prosaiker und Dichten, 1835 legte er die
›Dichter des alten Griechenlands und Roms‹ in einer für die Jugend bearbeiteten Darstellung vor, und in der Abgeschiedenheit seiner Gomaringer Pfarre im alten Schlosse des Ortes vollendete er, durch den Erfolg seiner Volksbuchnacherzählungen von 1835 ermutigt, das Werk, das der ›Widerhall zwanzigjähriger öffentlicher und häuslicher Beschäftigung mit der Antike‹ war und das seinen Namen bis auf den heutigen Tag hat dauern lassen: ›Die schönsten Sagen des klassischen Altertums‹.
Gustav Schwab stand, als er es unternahm, die schönsten Sagen des klassischen Altertums nachzuerzählen, vor keiner leichten Aufgabe. Jahrhunderte hindurch hatte sich die schöpferische Phantasie der Hellenen an den ursprünglich mündlich überlieferten Mythen, Heroen- und Heldensagen entzündet und sie weitergebildet. Dadurch war allmählich Neues entstanden oder zu bereits bestehenden Versionen hatten sich Varianten gesellt. Schwab mußte nicht nur aus diesen vielgestaltigen, schriftlich auf uns gekommenen Überlieferungen auswählen, sondern mußte oftmals auch die Sagenelemente oder
-fassungen in inneren Einklang bringen und Widersprüche tilgen.
Die Sagenstoffe mußten zudem aus verstreuten dichterischen und schriftstellerischen Quellen, ja zuweilen aus Bruchstücken, kurzen Erwähnungen oder Anspielungen zusammengetragen werden. Bis zum zweiten Jahrhundert u. Z. gab es zwar einen Zyklus griechischer Sagenepen, er ist jedoch nicht erhalten geblieben. So kommt es, daß die Sagen um Troja von der Gründung der Stadt bis zu ihrem Untergang in keiner antiken Quelle so zusammenhängend erzählt sind wie bei Schwab. Selbst wenn man annehmen darf, daß er mythologische Handbücher zu Hilfe nahm und bereits ins Deutsche übersetzte Texte benutzte, bleibt seine Arbeitsleistung bewundernswert.
Die meisten Schwierigkeiten bereiteten die kleineren Sagen, die den ersten Teil des Buches bilden. Hier vor allem war mühselige Mosaikarbeit vonnöten, denn abgesehen von der Argonautensage, für die in den
›Argonautika‹ des Apollonios Rhodios eine zusammenhängende Darstellung vorlag, wichen die oft nur fragmentarisch überlieferten Texte stark voneinander ab. Wohl läßt sich aus den antiken Quellen allenthalben ein mythologischer Grundtext, ein Grundriß der Handlung herausschälen, aber im einzelnen begegnen die mannigfachsten Abweichungen und Weiterbildungen mit neuen Motivierungen und Aspekten aus dem Geiste einer neuen Psychologie. Was Schwab in diesem Teile seiner ›Schönsten Sagen‹
geschaffen hat, nämlich eine mythologische Darstellung auf der Ebene einer gleichsam zeitlosen Antike, ist zwar, streng genommen, eine Fiktion, aber daß er aus der verwirrenden Fülle durch Auswahl eine gewisse Einheitlichkeit und Rundung des Bildes erreicht und damit zugleich eine Interpretation gewagt hat, wird man ihm als ein Verdienst anrechnen dürfen.
Schwabs
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