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Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Essigmann
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Dämonenfürst über die Erde, um sie ein halbes Jahr lang zu drücken.
    Furchtbar litten alle Geschöpfe unter der verzehrenden Dürre. Weiher und Flüsse waren von den Dämonen ausgetrunken, versengt die einst blühenden Matten, die duftenden Wälder; und flehend stiegen die Gebete aus vertrockneten Kehlen zum Himmel empor. Nie noch hatte der Gabenspender Indra so lange gezögert. Das Ende aller Wesen schien nahe!
    Traurig saß der Weltenherr auf seinem funkelnden Thron und sann, wie er die Erde von der Schreckensherrschaft Naumutschi befreie.
    Oh, sein geliebter Donnerkeil! – doch der war eine Waffe – war aus Festem geschmiedet – das Feuer barg er in sich – oh! des schrecklichen Eides!
    Zornig sprang Indra auf und eilte zu seiner gequälten Erde.
    Da lag sein Feind im Dämmerlicht des Abends, lang hingestreckt, durch den Frieden geschützt, und schlief!
    Sein Haupt reichte bis ans Ufer des Meeres, und dem schnarchenden Rachen entstieg eine verzehrende Glut, die das Wasser des Meeres kochen machte, daß seine Oberfläche eitel Schaum war.
    Wie der Blitz fuhr's in Indras Gedanken:
    Nicht Wasser ist der Schaum des Meeres und nicht Feuer! Waffe ist er nicht und nicht aus Stein, noch Erz, noch sonst aus Festem! und die Dämmerung ist nicht Tag noch Nacht!
    Jauchzend schlug er den Donnerkeil in die kochende Meerflut, daß eine Schaumwoge hochauf zum Himmel stieg und im Niederfallen den neuen Writra erschlug.
    Hei! wie jubelten Götter und Genien, wie trieben Waju, der Sturm, und die singenden Maruta strotzende Regenwolken herbei und ergossen deren Labsal auf die lobpreisende Erde!
    Indra aber sank zu Boden und vergrub sein Antlitz vor Scham im Sande:
    Er hatte seinen Eid gebrochen!
    Lange lag der Heißblütige so, dann schlich er im Dunkel der Nacht von dannen.
    Winzig klein geworden, verbarg er sich vor aller Welt im Wasser, im Stengel einer frisch erblühten Lotosblume.
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    Kaum war der Götterkönig verschwunden, versiegte der Regen, die Erde vertrocknete aufs neue, Bäche, Weiher, Flüsse und Seen versickerten, denn Götter und Genien fühlten nicht mehr die Zügel der Herrschaft. Die Welt war ohne König, Zucht und Gesetzmäßigkeit im Schwinden.
    Wieder traten die Götter vor die sieben Seher und baten sie um Rat, baten, ihnen einen neuen Herrscher zu geben.
    Die Heiligen sahen die Not der Welt und schlugen den König Nahuscha, der in Weisheit und Milde über die Menschen herrschte, zum Himmelsherrn vor. Sie versprachen, ihn mit den Schätzen ihrer Gnade zu überhäufen, auf daß er stark genug werde, um über die Dreiwelt des Himmels, der Erde und der Unterwelt zu herrschen.
    Des waren die Götter zufrieden, und im feierlichen Zuge holten sie den Erwählten aus seinem irdischen Reich.
    Nahuscha trat auf das Tigerfeil vor dem Weltenthron, Weihwasser rieselte auf den Beglückten nieder, und so ward er der Beherrscher der Dreiwelt.
    Doch Nahuscha war ein Mensch!
    Als er sich über Götter, Genien, Heilige und die ganze Erde gesetzt sah, vergaß er die schweren Pflichten seiner Erhöhung und langte gierig nach ihren leichten Freuden.
    Mit den schönen und heiteren Apsaras durchstreifte er die heiligen Haine in tollem Taumel, schwelgte mit den Welthütern an der Somatafel und lieh sein Ohr nur den lustigen Weisen der Gandharva, den preisenden Heldenliedern der brahmanischen Dichter und nicht den klagenden Gebeten der leidenden Menschheit.
    Einst feierte er ein stolzes Fest in Indras Garten Nandana:
    Narada, der Götterbote, pries die kriegerischen Ahnen des Weltenherrn in begeisterten Hymnen; Apsaras tanzten über die blumigen Wiesen, und die Schellen an ihren zarten Knöcheln klirrten leise in die fröhlichen Weisen der Gandharva. Wohlgerüche erfüllten die Luft, und ein kühler Wind erfrischte die tafelnden Götter.
    Um Nahuscha waren die sechs Jahreszeiten versammelt, die dem Herrn der Welt ihre köstlichsten Gaben gebracht hatten.
    Nach dem Somagelage streifte der Fröhliche durch den weiten Götterhain und erblickte die trauernde Schatschi.
    »Ist das nicht Schatschi, die Macht?« rief er, »des verschollenen Indra Eheweib? Warum dient sie mir nicht? – Ich bin nun Indra – ich der Götterkönig – der Herr der Welt! Und wahrlich! so schön ist Schatschi, daß sie stets nur das Weib des Erhabensten sein soll! – Bringt sie in mein Haus!« sprach er zu seinem Gefolge. »Ich will sie zu meiner Gattin erheben!«
    Als Schatschi die Worte Nahuschas hörte, entfloh sie und verbarg sich bei Brihaspati,

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