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Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Essigmann
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dem guten Götterpriester.
    Dieser gewährte der Treuen gastlichen Schutz und prophezeite, daß Indra wieder erscheinen und über die Dreiwelt herrschen werde.
    Nahuscha tobte, daß die Welt erzitterte, als er hörte, daß Schatschi sich unter des Brahmanen Schutz begeben hatte.
    Die Götter baten ihn, seinen Grimm zu beherrschen, auf daß dieser nicht die Welt vernichte. Doch eigensinnig bestand der Götterkönig darauf, daß Indras Weib in sein Haus geführt werde.
    Da gingen die Götter, denen vor dem Zorne des Starken bangte, zu Brihaspati und baten ihn, um der Welt willen Schatschi auszuliefern, auf daß sie die Gattin des furchtbaren Götterkönigs Nahuscha werde. »Gib sie heraus! o Ehrwürdiger!« sprachen sie. »Nahuschas Grimm verzehrt sonst die Welt, denn weit stärker als Indra ist der neue Herrscher, da die sieben Heiligen ihm den Schatz ihrer Buße geliehen haben!«
    Doch Brihaspati sprach:
    »Wie kann ich die Schutzsuchende dem Verfolger ausliefern? – Glaubt ihr, so wenig gälten einem Brahmanen die Lehren des Weda?
    Muß ich die heiligen Sprüche erst nennen? – Euch sagen, daß kein Regen fällt auf die Saat dessen, der einen Schützling ausliefert, daß Speise und Trank ihn verzehren, statt zu nähren, daß seine Kinder früh ins Grab sinken und seine Ahnen keine Ruhe finden, daß die Götter seine Gaben verschmähen und ihre Gaben ihm Not und Tod bringen!
    Habt ihr vergessen, wie Indra einst den König Usinara prüfte und belohnte? – So will ich es euch wiedererzählen:
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    Der vielgepriesene Länderherr saß vor dem lodernden Opferfeuer, als eine Taube sich in seinen Schoß flüchtete. Ein schneller Habicht verfolgte die Zitternde, flog bis vor Usinaras Thron und forderte seine Beute von dem König.
    »Gerecht wirst du gepriesen, o Herr!« so sprach der Habicht. »Gib mir, was ich erjagt habe, mich plagt der Hunger!«
    »Wie könnt' ich gegen die heilige Lehre verstoßen?« sprach der König. »Wie dem Verfolger geben, was sich vertrauend zu mir geflüchtet hat? – Die Schuld würde lasten auf mir, als hält' ich eine Kuh, eine Weltmutter, erschlagen oder einen Brahmanen erwürgt! – Nie geb' ich den Schützling heraus!«
    »So willst du mich dem Hungertode preisgeben? – mich? und, bin ich tot, mein Weib und meine Kleinen? oh – vergiß nicht, weiser König: Pflicht steht gegen Pflicht! Laß doch die kleinere um die große zu erfüllen: gib mir die Taube! Es ist den Habichten gesetzt, die Tauben zu fressen!«
    »Nimm einen Büffel, kluger Vogel – einen Eber oder Hirschen – alles lasse ich dir geben, doch der Schützling ist mir heilig!« rief Usinura.
    »Nicht Büffel, Hirsch und Eber will ich von dir erbetteln, König!« sprach der Habicht. »Die Taube gib mir, meine müdgehetzte Beute und jene Nahrung, die des Schöpfers Willen mir zugesprochen hat!«
    »Nimm mein Reich und alles, was ich habe; der Schützling bleibt in meiner Hut!" erwiderte Usinara ernst.
    »Gib mir von deinem Fleisch soviel, als diese Taube wiegt, wenn du um alles an die Pflicht dich bindest!« rief der Habicht.
    »Gerecht ist deine Forderung, weiser Vogel!« sprach der König und ließ eine Wage bringen.
    Dann schnitt er sich ein Stück Fleisch vom Leibe und wog es gegen die Taube.
    Doch der kleine Vogel wog schwerer als das blutige Fleisch des Edlen. Noch einmal schnitt das Messer in des Dulders Leib, und wieder ward das Opfer zu leicht befunden.
    Da trat Usirana auf die Wage und bot sich dem Habicht zur Speise.
    »Indra bin ich!« rief der Vogel jetzt, »und die Taube ist Agui! Wir kamen, dich zu prüfen, viel besungener Herr der Gerechtigkeit, und du hast bestanden wie Gold im Feuer, glücklicher Weiser! Steig' auf zu meinem Himmel und leuchte der Menschheit als Beispiel!«
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    So schützt ein Weiser, was sich seinem Schutze anvertraut! – Nie liefere ich Schatschi dem Drohenden aus!« schloß Brihaspati seine Rede.
    »So rate uns, wie wir die Welt beschützen vor dem Grimmigen, der die Gnade der Rischi besitzt!« sprachen die Götter ergeben.
    Da dachte der edle Priester nach und sagte:
    »Schatschi mag Nahuscha sagen lassen, daß sie dem Gewaltigen in sein Haus folgen werde, wenn er die sieben Heiligen vor seinen Wagen spannt. In einem Gefährte, so kostbar, wie noch keiner eins lenkte, fährt die Macht mit dem Allbezwinger zum Altar! – Hochmut ist Nahuschas Fehler, Hochmut wird ihn stürzen!«
    Die Götter brachten ihrem König die Botschaft der Entflohenen, und der Herr der Welt freute sich über

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