Sagen und Märchen Altindiens
Plan, der die verhaßte Schwester in ihre Gewalt bringen sollte. »Wir wollen wetten, und wer verliert, dient der andern als Sklavin!«
Winata war damit einverstanden, denn sie wußte bestimmt, daß Utschaisrawa weiß sei.
»So wollen wir morgen an das Ufer des Meeres gehen und das herrliche, hochohrige Roß betrachten, wenn es bäumend aus den Fluten steigt!« sprach Kadru.
Dann sandte sie einige ihrer Söhne bei dem Schlangenvolk umher und befahl, daß alle ihre Kinder sich am andern Morgen als schwarze Haare an das Götterroß heften solllten, auf daß ihre Mutter nicht der Sklaverei verfiele.
Doch die Schlangen sind sehr leichtsinnige Geschöpfe: Im strömenden Regen der Nacht badeten sie voll Wonne und sonnten sich träge am nächsten Morgen.
Nur wenige hatten der Mutter Befehl befolgt. Und als Utschaisrawa aus den Fluten stieg, war der Hengst silberweiß und trug nur einen schwarzen Schweif aus den wenigen getreuen Kindern Kadrus.
Da verfluchte die der Sklaverei verfallene Mutter ihre ungehorsamen Kinder:
»Sterben sollt ihr alle bis zum Letzten! Wenn Dschanamedschaja das Schlangenopfer feiert, soll das Feuer euch verzehren! Alle mögen enden auf dem Opferherd, den der Sohn Parikschits aus dem Kuruhause baut!«
Und der Schöpfer der Welt hörte den Fluch und verhängte seine Erfüllung als Strafgericht über das Schlangenvolk, denn bösen Schaden hatten die Giftzähne der Kadrusöhne seinen Menschen und Tieren schon zugefügt.
Die listigen Schlangen aber versammelten sich in einer Steinwüste und hielten Rat, wie sie dem schrecklichen Fluch der Mutter entgingen.
Einer riet, das Kurugeschlecht unter den Bissen der Nattern sterben zu lassen, auf daß nie ein Parikschit, noch ein Dschanamedschaja geboren werde.
Ein zweiter wollte ruhig die Zeit abwarten, bis Dschanamedschaja das Opfer rüste und ihn dann in Brahmanengestalt so eindringlich bitten und warnen, daß er sicher von der Ausführung seines Vorhabens abstünde.
Ein dritter riet, den Priester, der das Schlangenopfer leiten wolle, zu töten. Andere wollten im Regen die Opferfeuer löschen oder die heiligen Geräte verunreinigen, so daß die Zeremonie unwirksam bleibe, Dschanamedschaja töten und noch manches andere.
Doch Wasuki, der Schlangenkönig, sprach mit ernster Miene:
»Was schwätzt ihr da von Königs- und Brahmanenmord, ihr Überklugen! – Glaubt ihr, Sünde lösche Sünde aus? – Mag dem und jenem Fluch die List entkommen, doch unabwendbar ist ein Mutterfluch! – So unabwendbar wie das Schicksal! – Bei ihm will ich Hilfe suchen, in einer Stunde, da die Götter uns gnädig sind. Vielleicht mildert Brahma den Fluch auf ihre freundliche Fürsprache. Harret und hoffet!«
Traurig, furchtsam und doch voll Hoffnung auf die Weisheit ihres Königs, schlichen die Schlangen hinweg, und Wasuki sann, wie er den Göttern dienen könnte, um sein geliebtes Volk zu erretten.
Amrita, der Göttertrank
Nun war in jener Zeit der Götter Sehnsucht nach ewiger Jugend und Unsterblichkeit erwacht. Die Zauberformel, welche Katscha von den Danawa geholt hatte, war durch Uschanas' Fluch der Welt verloren gegangen und hatte bei allen die Liebe zu ewigem Leben erweckt.
Da traten die Aditisöhne vor Brahma und baten ihn um Rat. Und der Ewige sprach:
»Sehet! im Wasser ist alles, was das Leben erhält! Das winzigste Kräutlein zieht seine Kraft daraus, wie der mächtige Elefant der Berge. Und das Wasser des Himmels fließt in Bächen und Strömen über alles Verwesende, nimmt die letzten Lebenssäfte-Lebenskräfte mit und trägt sie in das weite Meer.
Im Ozean ruht das ewige Leben!
Auf! Sondert das Amrita, den köstlichen Unsterblichkeitstrank, von der salzigen Flut, wie der Hirte die goldgelbe Butter von dem bläulichen Naß der Milch!«
Die Götter riefen die Dämonen herbei, denn sie wären allein für das Riesenwerk zu schwach gewesen. Die Söhne der Diti und der Aditi schlossen Frieden und machten sich an die segenverheißende Arbeit.
Der Berg Mandara war zum Rührstock ausersehen.
In gewaltiger Anstrengung rissen Götter und Dämonen ihn aus seinen Grundfesten und schleppten ihn zum Meer. Der Schildkrötenkönig Akupara bot seinen starken Rücken als Lager für den Riesenquirl, und Indra hob den Mandara auf den hochgewölbten Panzer des geduldigen Tieres.
Nun fehlte es an einem Strick, um den mächtigen Rührstock zu drehen.
Da hielt der Schlangenkönig Wasuki die Stunde für gekommen, in der er für sich und die Seinen der Götter
Weitere Kostenlose Bücher