Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)
kochte in der folgenden Nacht die Kräuter, und kaum brodelten sie eine Weile, so klopfte es an die Hausthür. Der Mann machte auf und draußen stand eine alte Frau aus dem Dorfe und sprach mit ängstlicher Stimme »Ach, Gevatter, borgt mir doch euer Kornseil: wir wollten gern unser Korn aufbinden .« »Ja Korn aufbinden !« rief der Bauer: »man sieht keine Hand vor Augen und jetzt wollt ihr euer Korn aufbinden. – Koch zu, Frau: die Hexe ist schon da !« Und damit schlug er die Thür zu, legte neues Holz unter den Kessel, und sie kochten und rührten was sie konnten. Die Alte aber lief wimmernd unter ihren Fenstern hin und her, und dies währte mehrere Stunden. Dann hob die Bäuerin den Kessel vom Feuer, und alsbald rannte die Hexe nach Hause. Sie kam diesmal noch mit dem Leben davon; doch als sie später Jemand einen bösen Fuß anhexen wollte und Etwas dabei versah, bekam sie ihn selbst und starb daran. Die Bäuerin aber goß noch in jener Nacht den Trank, den sie gebraut hatte, im Kreuze, wie es der Scharfrichter vorgeschrieben, über die Schwelle des Stalles, und schon in wenigen Tagen wurde ihr Vieh gesund und nahm sichtlich zu.
53. Das Fleisch ist gedillt.
Mündlich aus Wettin.
Einem Dienstmädchen gefiel es nicht mehr bei ihrer Herrschaft, und sie kündigte den Dienst. Die Frau aber verlor sie nicht gern; darum ging sie zu ihrer Nachbarin, die eine Hexe war, und fragte ob sie kein Mittel wisse das Mädchen zu halten. »Ich will ihr einen bösen Fuß anhexen« sprach die Nachbarin, »so kann sie nicht fort. Schickt sie nur her zu mir .« Nun wurde das Mädchen mit einer Bestellung zur Nachbarin geschickt; doch als sie durch den Garten ging, pflückte sie etwas Dill und behielt es in der Hand. Da rief ihr die Nachbarin ärgerlich entgegen »Geh nur wieder: das Fleisch ist gedillt .« Wer nämlich Dill oder Berufskraut oder Braut-in-Haaren bei sich hat, dem kann keine Hexe Etwas anthun. Den bösen Fuß aber, welchen die Nachbarin dem Mädchen hatte anzaubern wollen, bekam sie selbst.
54. Der dreibeinige Hase eine Hexe.
Mündlich aus Gutenberg.
In dem Dorfe Gutenberg steht ein großer Theil der Häuser in einer Reihe, und die Reihe entlang geht ein Bach, über den vor jedem Hause eine kleine Brücke führt. Da sah man einst einen dreibeinigen Hasen über die erste Brücke herüber springen und über die zweite hinüber und über die dritte wieder herüber und so fort die ganze Reihe hinauf; und als er über die letzte Brücke gesprungen war, verwandelte er sich in eine Frau und lief davon. Von Stund an kam über die Häuser der Reihe allerlei Unglück: kein Vieh wollte in den Ställen gedeihen; die Menschen wurden siech, und selbst ihre Felder und Wiesen waren nicht mehr so fruchtbar wie sonst. Da erkannte man daß der dreibeinige Hase eine Hexe gewesen war.
55. Die Katze.
Mündlich aus Wettin.
Wer einen Kobold hat kann sich in eine Katze verwandeln. So verwandelte sich einst eine Frau und ging zu ihrer Nachbarin, die grade Fett ausbriet. Sie setzte sich auf den Heerd und sah ins Feuer. Doch plötzlich schüttelte sie sich und sprach »Ei, da wär ich ja bald eingeschlafen .« Als die Nachbarin die Katze reden hörte, erschrak sie und goß ihr das siedende Fett übers Gesicht. Und am andern Tage lag die Frau, welche den Kobold hatte, mit verbranntem Gesicht auf dem Todbette.
56. Goldene Gänse und Enten.
Mündlich.
An verschiedenen Orten in Sachsen sitzen goldene Gänse oder Enten unter der Erde und brüten auf goldenen Eiern.
Solch eine Gans mit zehn, zwölf oder fünfzehn Eiern sitzt unter dem Petersberge bei Halle in dem jetzt verschütteten Gange, der von da nach Krosigk führte. In der Kirche auf dem Petersberge aber links vom Eingange steht die Bildsäule des heiligen Petrus, welcher der Arm fehlt. Mit diesem Arme wies sie nach der Stelle, wo die goldne Gans sitzt; doch weil der Arm abgebrochen ist, findet man den Platz nicht mehr. – Am Schlosse zu Mansfeld ist ein Nonnenkopf mit verbundenen Augen in Stein gehauen. Wer erräth wohin die Nonne unter der Binde sieht und in der Richtung die Erde aufgräbt findet eine goldne Gans mit zwölf goldnen Eiern, die im Schloßberge sitzt und dahin verwünscht ist. – Unter den Trümmern des Nonnenklosters bei Farnstädt saß eine goldne Gans mit sieben goldnen Eiern, die man viele hundert Jahre vergeblich zu heben suchte, bis man einen Jesuiten kommen ließ, der ohne Sünde
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