Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Titel: Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Sommer
Vom Netzwerk:
die rechte Hand unter der Schürze und sah keifend an dem Könige empor. »Was? willst du mir meinen Sohn todtstechen ?« rief sie, zog schnell die Hand unter der Schürze hervor und gab ihm einen Schlag mit einer Ruthe, die sie in der Hand hielt. Da war er augenblicklich in Stein verwandelt. Dann berührte sie auch das Roß und den Hund mit der Ruthe, und auch diese verwandelten sich in Stein; denn die Ruthe war eine Zauberruthe, die Alte aber war Ritter Wolfs Mutter und war eine Hexe, die so den Tod ihres Sohnes gerächt hatte. Einige sagen, der dreibeinige Hase sei ihr Sohn Wolf gewesen; doch weiß man das nicht genau.

    So stand der junge König mit seinem Rosse und Hunde als weißer Alabaster im Walde. Und als seine Eltern daheim am andern Morgen zur Lilie kamen, war sie umgefallen: sie grünte noch, doch ließ sie sich nicht vom Boden aufrichten. Daran sahen sie daß ihrem Sohne in der Fremde ein groß Unglück widerfahren war; und der jüngere Prinz sprach »Ich will ausziehen und meinen Bruder suchen, und will auch eine Lilie pflanzen, an der ihr sehen könnt wie es mir geht .« Er pflanzte die Lilie neben die seines Bruders und zog ins weite Land. Lange suchte er vergeblich eine Spur des Bruders, bis er einst bei einem Wirthe einkehrte, der ihn als einen alten Bekannten empfing und fragte wie es ihm ergangen sei, seit er das erste Mal des Weges gekommen. Da erkannte er daß ihn der Wirth für seinen Bruder hielt, weil er diesem in Allem glich; und er erkundigte sich wohin sein Bruder damals gezogen sei und schlug denselben Weg ein. So verfolgte er die Spur immer weiter, bis er in die Stadt kam, in welcher der Bruder zum Könige gekrönt war. Da ging ihm das Volk mit großem Jubel entgegen und führte ihn zum königlichen Schlosse; und er dachte »Ich will mich nur für meinen Bruder ausgeben, so kann ich ihn vielleicht besser retten« und ließ sich im Schlosse von der jungen Königin mit vielen Küssen empfangen. Und sie machte ihm Vorwürfe, wo er so lange gewesen sei; doch er erzählte ihr, er habe sich im Walde verirrt und nicht eher den Weg wieder gefunden. Am Abend aber legte er sich in voller Rüstung ins Bett, und zwischen sich und sie streckte er ein blankes, zweischneidiges Schwert. Und als sie ihn erschrocken fragte was das bedeuten solle, tröstete er sie, daß er ein Gelübde gethan habe und ihr später Alles erzählen wolle.

    Am folgenden Morgen stand er heimlich auf, als die junge Königin noch schlief, nahm ein stattliches Jagdgefolge mit und zog hinaus in den Zauberwald, aus dem sein Bruder, wie er gehört hatte, nicht heimgekehrt war. Und im Walde war Alles wieder eben so wie damals, als sein Bruder darin gejagt hatte. Lange stöberten die Hunde vergeblich nach einem Hasen, bis endlich der dreibeinige daher hupfte. Und der junge Prinz bekam wie sein Bruder Lust ihn allein zu jagen und hetzte ihn durch Gehege und Bruch, bis sein Rößlein vor der Grotte im Felsen zurückschnob, und das gebückte Mütterchen, die rechte Hand unter der Schürze, heran hinkte. »Was ?« keifte sie wieder, »willst du meinen lieben Sohn ermorden?« und zog eilig die Ruthe hervor und schwang sie auf den Prinzen. Er aber hatte schon das steinerne Bild seines Bruders gesehen und hieb ihr mit einem Streich den Arm bis zum Ellenbogen ab, trat mit dem einen Fuß auf die Ruthe und mit dem andern stieß er die Alte nieder und drohte sie mit dem Schwerte zu erstechen, wenn sie seinem Bruder nicht gleich das Leben wieder gebe. Da zog sie eine Büchse aus ihrem Busen und sagte, dies sei die Salbe des Lebens; er solle sie nur aufstehen lassen, so wolle sie seinen Bruder wieder lebendig machen. Er ließ sie frei, und sie trippelte zu dem steinernen Hunde, sah sich aber immer nach der Ruthe um, ob sie die nicht noch bekommen könnte; doch der junge Prinz ließ kein Auge von ihr. Da nahm sie etwas Salbe aus dem Büchschen und bestrich dem Hunde beide Schläfe damit, und sogleich sprang er fröhlich herum und bellte und spielte mit seinem Bruder, dem Jagdhunde des Prinzen. Dann bestrich sie die Schläfe des Pferdes und zuletzt die des Reiters; und auch das Pferd und der Reiter begannen sich lustig zu regen und waren frisch und gesund wie zuvor.

    Da umarmten und küßten sich die beiden Brüder; die Hexe aber stachen sie todt, damit sie Niemand mehr ein Leid anthun könne. Der ältere Bruder fragte nun den jüngern wie er es angefangen habe ihn zu erlösen. Und der junge Prinz erzählte Alles, wie es geschehen war; wie die

Weitere Kostenlose Bücher