Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)
alte Hexe mit der Salbe des Lebens die Steine bestrichen habe, und auch wie er in der Stadt von Allen für den König gehalten worden sei, und wie er mit der jungen Königin in einem Bette geschlafen. Wie das sein Bruder hörte, gerieth er in Zorn und stach ihm das Schwert mitten durchs Herz. Und damit das Pferd und der Jagdhund nicht verriethen wo ihr Herr geblieben sei, stach er sie auch todt. Er ritt nun heim und wurde von der Königin aufs Lieblichste empfangen, und als er sich Abends auskleidete, lachte sie und sprach »Gott sei Dank, das dein Gelübde zu Ende ist. Gestern gingst du in der Rüstung zu Bett und legtest ein Schwert zwischen uns, daß ich glaubte, du würdest mich in der Nacht erstechen; doch heut bist du wieder so lieb und gut wie zuvor.« Da war es dem Könige als ob auch ihm Jemand ein Schwert durchs Herz stieße; denn er erkannte wohl wie ehrlich sein Bruder an ihm gehandelt hatte, und er bereute seinen Mord herzlich und weinte die ganze Nacht. Als die Eltern aber am Morgen darauf zu den Lilien gingen, stand die des ältern Bruders wieder aufrecht und blühte frisch, doch die des jüngern war verwelkt.
Am Morgen, als sich der junge König recht ausgeweint hatte, fiel ihm die Erzählung seines Bruders ein, daß die Hexe mit der Salbe des Lebens ihm und den Thieren die Schläfe bestrichen habe. »Vielleicht« dachte er »hilft es bei deinem Bruder auch« und ritt in den Wald hinaus, suchte das Salbenbüchschen und bestrich zuerst dem Hunde des Bruders die Schläfe, und der Hund sprang auf und war gesund. Nun bestrich er sie eilig auch dem Pferde und dem Prinzen, und beide regten sich und schauten ihn fröhlich und gesund an. Da bat er seinen Bruder um Vergebung daß er ihn ermordet hatte, und sie versöhnten sich und ritten zusammen in die Stadt. Alles Volk aber und die Königin selbst staunte , als sie kamen, und Niemand wußte wer der König sei und wer der fremde Prinz, bis sich der König zu erkennen gab. Es wurde nun für seine Errettung ein großes Fest gefeiert, und der Prinz blieb ein ganzes Jahr bei dem Könige . Dann zog er heim und erzählte seinen Eltern Alles; und sie freuten sich sehr und schenkten ihm ihr Königreich.
8. Vom jungen Grafen, der sein Glück suchen ging.
Mündlich aus Halle.
Ein Graf war krank, und alle Ärzte der Welt konnten ihm nicht helfen. Und weil er ohnehin nicht reich war, kam er durch die Krankheit immer mehr in Armuth, und sein junger Sohn kannte die vollen Humpen nur aus den alten Büchern; denn seines Vaters Keller waren längst leer. Da sprach einst die Gräfin »Lieber Sohn, ich freue mich, wenn ich dich sehe; doch du verlebst deine Jugend hier nicht wie du solltest. Ich und dein Vater, als wir jung waren, lachten, spielten und tanzten wir den ganzen Tag; doch du siehst in unsrer Einsamkeit nur Jammer und Noth. Willst du meinem Rathe folgen, so ziehe hinaus in die Welt und suche dein Glück. Wer weiß was dir bestimmt ist. Die Welt ist groß, und es hat schon Mancher in ihr Etwas gefunden, wovon ihm an der Wiege nichts gesungen war .« Und weil dem jungen Grafen der Rath gut schien, verkauften seine Eltern ein Stück Land und gaben ihm hundert Thaler: damit machte er sich auf den Weg und zog in die Welt sein Glück zu suchen. Er wanderte aber immer weiter und weiter, wohl über tausend Meilen, und sein Geld ging zu Ende, doch sein Glück hatte er noch nicht gefunden. Da kam er in eine große Stadt und hatte nur noch einen Heller: dafür kaufte er sich ein Stück trocknes Brot, und da es grade Sonntag war und die Glocken läuteten, ging er in die Kirche und betete recht inbrünstig zu Gott, daß er ihm helfen möge.
Hinter ihm stand ein alter Arzt, der hörte sein Gebet und sah wie abgezehrt sein Gesicht war; und als sie aus der Kirche gingen, trat er zu ihm und fragte wer er sei und wohin er ziehe. Der Graf antwortete, er sei armer Leute Kind und ausgezogen sein Glück zu suchen; doch er finde es nicht. Da nahm ihn der Alte, der ein liebreicher Mann war und keine Kinder hatte, mit in sein Haus und hielt ihn wie seinen Sohn. Mit guten Speisen und Arzeneien brachte er ihn bald so weit, daß ihm Niemand die Noth, die er auf der Reise erlitten hatte, mehr ansah; und nun unterrichtete er ihn in den ärztlichen Künsten, und der junge Graf zeigte so großes Geschick dazu, daß er bald berühmter als sein Lehrmeister war, und der Tod in dem Lande alle Kundschaft verlor. Jedermann schickte nach dem jungen Doctor; und so kam er einst
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