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Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Titel: Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Sommer
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auch in ein benachbartes Königreich zu einem Grafen, aus dessen Fenstern er eine Burg sah, die ganz in Nebel gehüllt war. Als er fragte wem die Burg gehöre, erzählte man ihm, es sei dies ein verzaubertes Schloß, und vor vielen hundert Jahren habe eine Prinzessin darin gewohnt, der das ganze Land unterthänig war; sie sei jung und über Alles schön gewesen, doch sei sie mit ihren Rittern und Knappen und mit allem Hofgesinde verwünscht worden und gehe nur noch in der Nacht von elf bis zwölf in der Burg umher. »Wer die Prinzessin erlöst« sagten die Leute, »den nimmt sie zum Gemahl und macht ihn zum Könige des Landes; doch er muß zuvor drei Proben bestehen, und die sind so schwer, daß Jeder, der sich noch daran gewagt hat, schon bei der ersten gestorben ist.«

    Wie der junge Graf das hörte, dachte er »Zeitlebens Salben streichen und Latwergen eingeben ist ein hartes Brot. Wer weiß ob mir nicht ein größer Glück beschert ist als ich schon gefunden habe: und wenn ich sterbe, was ists? sterben muß ich doch einmal; darum kann ich mein Leben wohl für ein Königreich aufs Spiel setzen .« Und als es Abend wurde, ging er den Berg hinan auf das Schloß und klopfte an das Thor. Ein alter Kastellan, der auch mit verwünscht war, machte ihm auf und fragte was er wolle. Der Graf sprach »Die verwünschte Prinzessin will ich erlösen .« Da fing ihn der Kastellan freundlich zu warnen an und sagte »Ihr seid ein so schmuckes junges Blut; o kehrt um und erspart euern Eltern den Gram, daß ihr früher stürbet als sie. Ihr könnt die Proben nicht bestehen. Da ist schon Mancher hergekommen, der wohl dreimal so alt und so stark war wie ihr; doch Keiner ist wieder weggegangen .« Und er führte ihn in eine Kammer; in der standen viele offne Särge, in denen junge und alte Männer lagen, und ein Sarg war leer. »Seht« sprach der Alte, »dieser Sarg ist für den bestimmt, welcher das nächste Mal die Proben bestehen will und nicht kann. Hier herein kommt ihr, wenn ihr nicht umkehrt .« Der Graf aber blieb fest, er wollte es wagen. Da führte ihn der Kastellan eine breite marmorne Treppe hinauf in ein Zimmer das war prachtvoll erleuchtet und glänzte über und über von Gold und Edelstein. Und vier Diener brachten herrliche Speisen und den schönsten Wein, und der Graf setzte sich an den Tisch, aß und trank und meinte nie ein so gutes Mahl gehalten zu haben.

    Kaum war er fertig, so schlug es elf, und herein trat eine ganz verschleierte Jungfrau. Sie grüßte ihn freundlich, doch mit wehmüthigem Tone, und sagte »Du bist gekommen mich zu erlösen, so sei denn stark: du kannst es, doch darfst du kein Wort sprechen und dich mit keinem Schlage wehren, was dir auch geschieht. Nur drei Wochen noch kann ich erlöst werden; wenn unterdeß mein Erretter nicht kommt, so muß ich wieder hundert Jahre durch das Schloß wandern, ohne daß mir Jemand helfen könnte, wenn er die Proben auch bestünde.« Damit ging sie hinaus, und aus den vier Ecken des Zimmers traten vier ungeschlachte, breitschultrige Männer; die packten ihn, drückten ihn zu einem Knäul zusammen und warfen ihn einander zu, spielten Fangeball mit ihm. Und oft, wenn sie es beim Fangen versahen, stürzte er zu Boden; doch sie hoben ihn lachend wieder auf und spielten weiter. Das trieben sie bis es zwölf schlug: da waren sie plötzlich verschwunden. Der junge Graf aber lag halbtodt am Boden und konnte kein Glied regen. Da hörte er Etwas auf der Treppe poltern und als die Thür aufging, war es der Kastellan mit den vier Dienern, welche den leeren Sarg getragen brachten. Als sie nun sahen daß der Graf die Augen aufschlug, ließen sie vor Verwunderung den Sarg fallen, und der Kastellan stürzte auf ihn zu und rief »O lieber Herr, mit euch ist Gott, daß ihr noch lebt. Wenn Einer uns erlösen kann, so seid ihr es; denn ihr habt ausgehalten was noch Keiner ausgehalten hat. Alle, die noch bis um zwölf im Schlosse waren, haben wir um eins in den Sarg gelegt; doch ihr habt schon die erste Probe bestanden: jetzt nur noch zwei, so sind wir alle gerettet .« Und die Diener sangen und sprangen im Zimmer herum, und sie flogen die Treppe hinab, holten einen köstlichen Balsam und gaben dem Grafen einen Schluck davon. Da fiel er in einen tiefen Schlaf und lag bis zum folgenden Mittag wie todt: dann wachte er auf und war ganz gesund, und es schien ihm als sei er stärker als zuvor.

    Als es in der zweiten Nacht elf schlug, kam wieder die verwünschte Prinzessin, und diesmal

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