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Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Titel: Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Sommer
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wurden, und mit denen sie Tag und Nacht ritten.

    Als sie nun hundert Meilen geritten waren, führte ein Weg rechts in ein schattiges Gehölz; auf dem graden Wege aber schien die Sonne sehr heiß. Der Knappe zur Rechten sprach darum »Laßt uns den Schatten mitnehmen: wir kommen doch wieder auf den rechten Weg und erfrischen uns ein wenig .« Der König aber wollte den graden Weg nicht verlassen. Da sprach der Knappe »So will ich allein durch das Holz reiten und am Ende auf euch warten: ich komme doch rascher hin als ihr .« Kaum aber war der Knappe eine Weile fort, so hörte ihn der König um Hilfe rufen, und als er nach der Gegend hinritt, sah er daß der Knappe unter Räuber gefallen war, die ihn todt schlugen und mit seinen Kleidern und seinem Rosse davon ritten. Da erkannte der König wie gut sein Weib ihm gerathen hatte. Und als er mit dem andern Knappen wieder hundert Meilen geritten war, ging der gerade Weg über einen Berg; links aber zog sich ein liebliches Thal um die Höhe. Und der Knappe zur Linken sprach »Wir wollen durch den Grund reiten, so werden wir nicht so müde und kommen doch noch früher wieder auf den rechten Weg .« Der König aber wollte nicht. Da sagte der Knappe »So will ich allein reiten und auf der andern Seite des Berges auf euch warten .« Doch kaum war er eine Strecke geritten, so hörte ihn der König schreien und wimmern, und als er nachritt, fand er daß der Knappe in eine Löwengrube gefallen war und von den Löwen zerrissen wurde. Nun ritt der junge König Tag und Nacht allein weiter auf dem graden Wege und kam glücklich zu seinen Eltern. Die wunderten sich als sie den stattlichen Ritter in ihr Schloß reiten sahen. Er aber sagte ihnen daß er ihr Sohn und nun ein mächtiger König sei, und dem Vater, der immer noch krank war, gab er eins von seinen guten Pulvern und machte ihn gesund damit. Und er führte seine Eltern heim zu seinem jungen Weibe, und dort lebten sie alle vier herrlich und in Freuden.

     

9. Ein anderes Märchen von einem Grafensohn.
     

      Mündlich aus Wettin.

     

    Vor vielen Jahren lebte ein Graf, der sehr reich und doch nicht glücklich war; denn es fehlte ihm ein Sohn, der einst all seine Reichthümer hätte erben können. Da ging er denn oft traurig in seinem Parke umher, und als er einst auch wieder über sein Unglück nachdachte, stand plötzlich ein altes graues Männchen vor ihm und fragte ihn weshalb er so betrübt sei. »Ach« sprach der Graf, »du kannst mir nicht helfen. Ich bin der reichste Mann im Lande, und doch fehlt mir eins; und weil ich das mit allen Schätzen nicht erkaufen kann, muß ich wohl betrübt sein .« Da lachte das graue Männchen und sprach »Ich weiß wohl, ihr wünscht euch einen Sohn. Den will ich euch schenken, wenn ihr gelobt mir dafür nach vierzehn Jahren das zu geben, was euch dann das Liebste sein wird .« Das gelobte der Graf, und es verging kein Jahr, so bekam die Gräfin einen allerliebsten kleinen Knaben; der wuchs so schnell heran und war so klug, daß sich seine Eltern nicht genug über ihn freuen konnten. Doch als er ins vierzehnte Jahr kam, da fiel es dem Grafen schwer aufs Herz daß sein Sohn das Liebste sei, was er habe, und daß ihn das graue Männchen fordern werde. Und wie er dachte, so geschah's. Am Geburtstage des Knaben kam das graue Männchen, erinnerte den Grafen an sein Versprechen und verlangte den Sohn. Da war der Vater ganz untröstlich; doch der junge Graf sprach ihm Muth ein und sagte, er fürchte sich nicht und hoffe wohl durch die Welt zu kommen und den Weg zu seinen lieben Eltern zurück zu finden. Und auch das graue Männchen sprach »Grämet euch nicht so sehr. Wenn euer Sohn hübsch folgsam ist, wird es ihm bei mir an nichts fehlen, und er wird noch einst zu großen Ehren kommen .« Damit nahmen sie Abschied, und das Männchen führte den Knaben in einen Wald.

    Sie waren noch nicht lange gegangen, so kamen sie in ein verfallenes Schloß. Da führte der Alte den Knaben in allen Gängen und Kammern umher und gab ihm auch eine Stube, in der er wohnen sollte. Als sie nun acht Tage hier friedlich mit einander gelebt hatten, sprach das graue Männchen eines Abends »Nun wirst du wohl einmal allein bleiben und haushalten können; denn ich muß auf einige Tage über Land. Ich erlaube dir im Schloß und Garten überall hinzugehen außer in den Pferdestall und an den Brunnen im Garten. Hüte dich wohl da nicht hinein zu sehen; denn es würde dein Leben kosten .« Das graue Männchen ging

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