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Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Titel: Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Sommer
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weg, und um sich die Zeit zu vertreiben besah der Knabe am ersten Tage noch einmal Alles im Schlosse, im Hofe und Garten genau; doch am zweiten Tage fing ihm die Zeit schon lang zu werden an, und am dritten dachte er »Es müßte doch hübsch sein, wenn du auch in den Pferdestall und den Brunnen sehen dürftest.« Am vierten Tage ging er lange in tiefen Gedanken vor dem Pferdestall auf und ab und schielte immer von der Seite nach der Thür hin; doch plötzlich sprang er hastig darauf zu, riß die Thür auf, und vor ihm stand ein Pferd und ein Löwe. Aber vor dem Löwen lag Heu auf der Raufe und vor dem Pferde Fleisch. »Ach wie gut« dachte der Knabe, »daß ich aufgemacht habe; sonst hätten die armen Thiere beide verhungern müssen. Was für ein Thor mag ihnen das Futter gebracht haben! Nicht einmal zu wissen daß die Löwen kein Heu und die Pferde kein Fleisch fressen !« Und er sprang zur Raufe, gab dem Löwen das Fleisch und dem Pferde das Heu und ging dann aus dem Stall und machte die Thür vorsichtig wieder zu. Nun schlich er zum Brunnen, und als er nur noch drei Schritt davon war, stellte er sich auf die Zehen und wollte so hinein sehen; doch da er nichts sah, ging er einen Schritt näher und dann noch einen, und zuletzt bückte er sich über den Brunnen: es war aber ganz finster darin. Da hielt er den Finger hinein, und als er ihn wieder heraus zog, glänzte der Finger ganz golden. Darüber erschrak der Knabe sehr, und er wollte das Gold abwischen, aber es blieb daran: er holte ein Messer hervor und wollte es abschaben; doch wie auch das Blut aus dem Finger quoll, das Gold ging nicht weg. Unterdeß hörte der Knabe schon das graue Männchen in der Ferne kommen: er wickelte schnell ein Stückchen Leinwand um den Finger und war kaum damit fertig, als das Männchen vor ihm stand; und es fragte auch gleich was er mit dem Finger gemacht habe. Der Knabe hatte sich vorgenommen es nicht zu gestehen; doch als er das graue Männchen sah, war es ihm als ob schon Alles verrathen wäre, und er bat vielmal um Verzeihung daß er in den Pferdestall und den Brunnen gesehen habe und sagte, er wolle es nicht wieder thun. »Noch einmal will ich dir glauben« sprach der Alte; »doch bist du zum zweiten Male ungehorsam, so mußt du sterben .«

    Acht Tage darauf ging das graue Männchen wieder weg und gebot dem Knaben noch strenger als das erste Mal nicht an den Brunnen und in den Pferdestall zu gehen. Die ersten beiden Tage spazierte der Knabe wieder still in dem schönen, großen Garten und im Schloß umher; am dritten aber sah ihn der Pferdestall gar zu freundlich an, und er schlich ganz sacht zur Thür, öffnete sie nur ein Ritzchen und lugte hinein. Doch wie das erste Mal stand der Löwe vor einer Raufe voll Heu und das Pferd vor einem Stück Fleisch. Da sprang er denn schnell hinein und wechselte das Futter; doch kaum war dies geschehen, so sprach das Pferd »Ach was hast du gethan! Nun mußt du sterben, wenn du meinem Rathe nicht folgst. Geh schnell zum Brunnen und wasche dir das Haar mit dem Wasser: dann komm und nimm einen Striegel, einen Stiebelappen und eine Kartätsche und setze dich auf meinen Rücken; so will ich dich retten .«

    Der Knabe that wie ihm das Pferd rieth, und als er das Haar im Brunnen gewaschen hatte, glänzte es über und über wie Gold. Er kehrte zum Stalle zurück, schwang sich auf das Pferd, und es trabte mit ihm zum Schloßthor hinaus. Als es eine Weile gelaufen war, sprach es zu dem Knaben »Schau dich um, ob du das graue Männchen noch nicht siehst: es muß nicht weit von uns sein .« Und der Knabe erschrak, als er sich umwandte; denn das graue Männchen war nur noch einige Schritte von ihnen entfernt. »Wirf schnell den Striegel hinter dich !« rief das Pferd. Und als der Knabe dies gethan hatte, verwandelte sich der Striegel in eine dichte Dornenhecke und versperrte dem Alten den Weg. Doch es währte nicht lange, so rief das Pferd wieder »Schau dich um, ob uns das graue Männchen nicht einholt .« Und wirklich hatte es sich durch die Dornenhecke hindurch gearbeitet und war dicht hinter ihnen. »Nun wirf die Kartätsche hin !« sprach das Pferd, und gleich wurde daraus ein großer, finstrer Wald. Der Knabe sah sich jetzt immer von Zeit zu Zeit um, und es war kaum eine Stunde vergangen, so rief er »Das graue Männchen kommt! das graue Männchen kommt !« »So wirf den Stiebelappen weg !« sagte das Pferd. Das that der Knabe, und nun wallte plötzlich ein langer, breiter See hinter ihnen, und

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