Sag's Nicht Weiter, Liebling
angerufen.«
»Echt?«, frage ich überrascht. Kerry ruft mich nie bei der Arbeit an. Sie ruft mich überhaupt nie an. »Hat sie gesagt, was sie wollte?«
»Ja, hat sie. Sie wollte fragen, ob du schon was von deiner Beförderung gehört hast.«
Okay. Jetzt ist es offiziell. Ich hasse Kerry.
»Ach so«, sage ich, als sei das eine ganz langweilige und alltägliche Frage. »Danke.«
»Du wirst befördert, Emma? Wusste ich gar nicht!« Ihre Stimme ist schrill und durchdringend, und ein paar Kollegen heben interessiert den Kopf. »Wirst du jetzt Marketing Executive?«
»Nein«, murmele ich und bekomme vor Scham einen roten Kopf. »Werde ich nicht.«
»Oh!« Artemis tut verwirrt. »Aber warum hat sie dann …«
»Halt die Klappe, Artemis«, sagt Caroline. Dankbar lächle ich sie an und lasse mich auf den Stuhl plumpsen.
Noch ein ganzes Jahr. Noch ein ganzes langes Jahr als blöde Marketing-Assistentin, in dem alle glauben, ich bin zu nichts nütze. Noch ein ganzes Jahr lang bei Dad Schulden haben und von Kerry und Nev ausgelacht werden und mich total beschissen
fühlen. Ich schalte den Computer ein und tippe mutlos ein paar Wörter ein. Plötzlich ist all meine Energie dahin.
»Ich gehe mir einen Kaffee holen«, sage ich. »Möchte sonst noch jemand einen?«
»Es gibt keinen Kaffee«, sagt Artemis und guckt schon wieder so komisch. »Hast du es noch nicht gesehen?«
»Was?«
»Dass sie uns die Kaffeemaschine weggenommen haben«, sagt Nick. »Als du bei Paul drin warst.«
»Weggenommen?« Das überrascht mich. »Warum das denn?«
»Keine Ahnung«, sagt er und geht auf Pauls Büro zu. »Sie haben sie gerade abgeholt.«
»Wir bekommen eine neue!«, sagt Caroline, die mit einem Stapel Papier auf dem Arm vorbeikommt. »Haben sie jedenfalls unten gesagt. Eine richtig gute, die ordentlichen Kaffee macht. Anweisung von Jack Harper anscheinend.«
Sie geht weiter, und ich starre ihr hinterher.
Jack Harper hat eine neue Kaffeemaschine angeordnet?
»Emma!«, sagt Artemis ungeduldig. »Hast du gehört? Du sollst mir den Prospekt suchen, den wir vor zwei Jahren für die Tesco-Promotion gemacht haben. Tschuldigung, Mum«, sagt sie ins Telefon hinein. »Ich habe mit meiner Assistentin gesprochen.«
Ihre Assistentin. Mann, das nervt mich vielleicht, wenn sie das sagt.
Aber im Moment bin ich viel zu verwirrt, um mich darüber aufzuregen.
Es hat nichts mit mir zu tun, versichere ich mir selbst, als ich ganz unten im Aktenschrank wühle. Ist ja lächerlich zu glauben, dass es irgendwas mit mir zu tun hätte. Er wollte wahrscheinlich ohnehin die Kaffeemaschinen auswechseln. Er wollte wahrscheinlich …
Mit einem Stapel Akten auf dem Arm richte ich mich auf und lasse beinahe alles fallen.
Da ist er.
Er steht direkt vor mir.
»Hallo.« Er hat Lachfältchen um die Augen. »Wie läuft’s?«
»Äh … gut, danke.« Ich schlucke. »Ich habe gerade von der neuen Kaffeemaschine gehört. Hm … danke.«
»Gern geschehen.«
»Hören Sie mal bitte kurz her.« Paul ist hinter ihm aufgetaucht. »Mr. Harper wird heute Vormittag bei uns hospitieren.«
»Bitte«, lächelt Jack Harper, »nennen Sie mich doch Jack.«
»Gut. Jack wird heute Vormittag hier hospitieren. Er guckt einfach zu, was Sie tun, und möchte sehen, wie wir als Team zusammenarbeiten. Machen Sie bitte ganz normal weiter, inszenieren Sie nichts Besonderes.« Pauls Augen bleiben an mir hängen, und er lächelt mich anbiedernd an. »Emma, wie geht es Ihnen? Alles klar?«
»Äh, ja, danke, Paul«, murmele ich. »Alles bestens.«
»Gut! Schön, wenn die Angestellten zufrieden sind. Und wo Sie gerade alle zuhören«, er hüstelt etwas unsicher, »möchte ich Sie auch noch an den Corporate Family Day erinnern, nächste Woche Samstag. Das ist eine wunderbare Gelegenheit für uns alle, uns etwas näher kennen zu lernen, einander unsere Familien vorzustellen und zusammen einen lustigen Tag zu verbringen.«
Wir können es alle gar nicht fassen. Bisher hat Paul den Tag immer Kackomat Family Day genannt und gesagt, er würde sich lieber kastrieren lassen, als dass er auch nur ein Mitglied seiner Familie mitbrächte.
»So, und jetzt bitte wieder an die Arbeit! Jack, hier ist ein Stuhl für Sie.«
»Beachten Sie mich einfach gar nicht«, sagt Jack Harper
freundlich und setzt sich in die Ecke. »Machen Sie alles wie immer.«
Alles wie immer. Klar. Natürlich.
Das hieße mich hinsetzen, Schuhe ausziehen, E-Mails abrufen, Handcreme auftragen, ein paar Smarties essen,
Weitere Kostenlose Bücher