Sahnehäubchen: Roman
Sie mag nicht die brillanteste Texterin sein und auch nicht die kreativste Ideengeberin – aber eines ist Susanne auf alle Fälle: eine gewiefte Kauffrau. Das wiederum ist eine Eigenschaft, die mir leider völlig fehlt. Ich hoffe also, im Laufe der Zeit etwas von Susanne zu lernen. Also schiebe ich meine Zweifel und alle Gedanken an die Herzen erobernde Michelle und die bodenlosen Ideen des Dwaine F. Bosworth zur Seite und lächle meine Chefin an. »Du kannst dich auf mich verlassen, Susanne. Ich habe das Projekt im Griff.«
Zurück im Büro bitte ich Tom zum Rapport. Mal sehen, was der Junge draufhat. »Und? Ist das Memo schon fertig?«
»Fast.«
»Was meinen Sie denn mit fast? «
»Na ja, so gut wie«, erklärt er freundlich, als hätte ich ihn gerade nur nach der Uhrzeit gefragt.
Ich runzle die Stirn. »Herr Weidner, ich hatte Sie vor ungefähr drei Stunden gebeten, ein kurzes Memo für mich zu schreiben. Wieso ist das noch nicht geschehen? Das kann doch so schwer nicht sein. Wir haben heute Nachmittag eine Besprechung mit den Verlagsverantwortlichen, da möchte ich gerne auf die Unterlage zugreifen können, um offene Punkte abzuklären. Also, wo ist das Problem?«
Tom Weidner schweigt und presst die Lippen aufeinander. Dann schließlich rückt er mit der Sprache raus. »Ich musste etwas besorgen und war in den letzten zwei Stunden nicht in der Agentur. Aber ich dachte, da Sie sowieso zu Tisch …«
»Bitte?« Ich muss mich verhört haben! »Während der Arbeitszeit mussten Sie etwas besorgen? Das glaub ich jetzt nicht! Wie ich Ihnen schon in unserem ersten Gespräch erläuterte, nehmen wir ein Volontariat in unserer Agentur sehr ernst. Also tun Sie das gefälligst auch, und erledigen Sie Ihre Besorgungen, wenn Sie frei haben. In zwanzig Minuten will ich das Memo auf dem Tisch haben, verstanden?«
Tom nickt betreten und schleicht aus meinem Büro. Das kann ja heiter werden.
Immerhin: Fünfzehn Minuten später taucht er wieder auf und drückt mir zwei Seiten in die Hand. Ich lese mir den Inhalt kurz durch. Gut, die wesentlichen Punkte scheint er erfasst zu haben; ob es Leseexemplare geben wird, hat er zwar nicht mit dem Verlag abgeklärt, aber zumindest bei den offenen Fragen vermerkt. Ich überlege, ob ich ihn zur Besprechung mit dem Marketingleiter des Weidner-Verlags mitnehme – oder ob er in seinem Kabäuschen bleiben soll. Ich entscheide mich für Letzteres: Strafe muss sein.
Ein Blick auf die Uhr: Viertel nach zwei. Ich habe also noch genug Zeit, um den ausstehenden Punkt auf meiner To-do-Liste abzuhaken und mich per Google ein wenig besser über Dwaine F. Bosworth zu informieren, als es der kurze Autorentext in der Druckfahne erlaubt. Als Erstes lande ich dabei auf der reißerisch gestalteten Homepage des Herrn. Hier wird mit Superlativen nur so um sich geschmissen: Die meisten Frauen, die größte Heerschar an Fans, die glücklichsten Schüler – man mag kaum glauben, dass irgendein amerikanischer Mann jemals eine Frau ohne die Hilfe von Dwaine ins Bett kriegen würde.
Die Geschichte von Bosworth ist allerdings recht interessant und klingt fast wie ein modernes Märchen: Bosworth war ursprünglich ein in jeder Hinsicht erfolgloser Anwalt aus einem Kaff in Texas, bis er dem Angebot einer großen New Yorker Anwaltskanzlei folgte. Beruflich lief es bald besser, nur privat war im wahrsten Sinne des Wortes tote Hose. Dann aber lernte er in einer Bar einen gewissen Snoop kennen, der ihn in die Geheimnisse der Verführung von Frauen einweihte. Von nun an gingen Snoop und Dwaine gemeinsam auf die Pirsch, und Dwaine lernte viel von seinem neuen Freund – schon bald hatte er schätzungsweise 58 Prozent der New Yorker Damenwelt beglückt. Snoop hingegen erlebte den Super-GAU eines Verführungskünstlers: Er verliebte sich ernsthaft. Deswegen beschloss er, sich auf das Altenteil zurückzuziehen und das Zepter des Königs der Verführung an Dwaine weiterzureichen. Dieser machte nun ungehemmt und immer erfolgreicher weiter und landete irgendwann mit einer Lektorin im Bett, die ihm riet, sein Erfolgsgeheimnis niederzuschreiben. Die Idee zur Baggerbibel war geboren.
Die wollte allerdings zunächst kein Verlag haben, und so beschloss Bosworth, sein Buch im Selbstverlag herauszubringen. Der Erfolg gab ihm recht: Mehr als 2,5 Millionen Exemplare gingen weg wie warme Semmeln, Bosworth war auf einmal ein gemachter Mann. Und weil auch der Rest der Männerwelt nicht länger darben soll, wird sein Werk
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