Sahnehäubchen: Roman
geben? Die meisten Bewerber sind eher stromlinienförmig, das kann man Ihnen nun nicht gerade vorwerfen.« Puh, ob er das schluckt? Hoffentlich habe ich nicht zu dick aufgetragen.
»Meinen Sie?« Tom Weidner klingt zweifelnd. Ich lege also noch einmal nach.
»Sehen Sie, ich kann verstehen, dass Sie nicht immer als Sohn Ihres Vaters gesehen werden möchten. Aber das sollte Sie nicht dazu bringen, nun Dinge erst gar nicht zu versuchen, die Sie eigentlich gerne machen würden. Dann stünden Sie erst recht im Schatten Ihres Vaters.« Täusche ich mich, oder zitiere ich hier gerade jemanden? Ich überlege kurz. Stimmt: Genau so hat es mir Jakob auf dem Empfang erklärt. Und offensichtlich trifft das genau ins Schwarze.
»So habe ich es noch gar nicht gesehen. Vielleicht haben Sie recht, Frau Seefeld.« Er scheint einen Moment nachzudenken, während ich mit der Geschwindigkeit einer Schnellfeuerwaffe Stoßgebete in Richtung Himmel schicke. »Also wenn Sie mir eine zweite Chance geben, freue ich mich.«
4. Kapitel
Du bist ein Mann. Ein Kerl. Du bestimmst, wo die Reise hingeht. Und sie wird dir folgen. Wohin du willst. Also mach die Ansage. Direkt. Sie muss wissen, wo der Hammer hängt.
Du denkst, gutes Benehmen bringt dich weiter? Mit Anstand und Höflichkeit kriegst du sie ins Bett? Vergiss es. Vergiss am besten alles, was dir deine Mutter über Umgangsformen beigebracht hat. Du bist ein Künstler. Ein Verführungskünstler. Und ein Verführungskünstler stellt sich einer Frau nicht vor. Niemals. Er wartet, bis sie ihn nach seinem Namen fragt. Glaube mir: Sie wird fragen.
Wenn du meinen Regeln folgst, wirst du unglaubliche Macht über Frauen gewinnen. Sie werden sich dir nicht entziehen können – sie werden süchtig nach dir werden.
Gut, ich habe keine große Literatur erwartet. Erst recht nicht, nachdem mir Susanne erläutert hat, mit welcher Art Sachbuch Herr Bosworth seine deutschen Leser beglücken will. Aber dass es sich um frauenfeindlichen Schund aus der untersten Schublade handelt, das hätte ich nicht gedacht.
Erschüttert lege ich den Ausdruck des Manuskripts zur Seite, den mir der Weidner-Verlag zugeschickt hat. Ich bin erst auf Seite 15 des Machwerks, also noch nicht einmal über das erste Kapitel hinausgekommen, aber ich habe jetzt schon genug davon. Wirklich eine Schande, dass für so etwas unschuldige Bäume sterben müssen! Schon bei den Überschriften der einzelnen Kapitel kommt mir die Galle hoch: Der Mann – ein geborener Sieger. Sie will es hart – also sei kein Weichei. Weck dein Alphatier … und so weiter und so weiter.
Während ich zunehmend fassungslos in dem Stapel Papier auf meinem Schreibtisch herumblättere, steckt Tom Weidner seinen Kopf durch meine Bürotür. Gestern hat er sein Volontariat begonnen und das kleine Praktikantenzimmer am Ende des Flurs bezogen. Gemeinsam mit ihm will ich in dieser Woche anfangen, den deutschen Markt für Dwaine F. Bosworth und seine Baggerbibel zu erobern. Oder besser gesagt: wollte ich anfangen. Momentan ist mir eher danach, ein bisschen zu weinen.
»Na, Chefin? Wie ist das Werk?«, will er gutgelaunt wissen.
Ich sage nichts, sondern seufze nur tief.
»Oh, so schlimm?« Er kommt ins Zimmer. »Darf ich auch mal gucken?«
Wortlos schiebe ich ihm die Blätter quer über den Tisch zu. Er nimmt ein paar Seiten hoch und fängt an zu lesen. Ich beobachte ihn dabei, gespannt auf seine erste Reaktion. Er lässt die Blätter sinken und grinst mich an.
»Tja, nicht alles, womit mein Vater Geld verdient, ist hohe Kunst. Aber meistens hat er einen guten Riecher dafür, was sich finanziell lohnt.«
»Vielleicht hatte er diesmal einen Schnupfen?«, frage ich missmutig.
»So etwas würde man bei uns zu Hause als Majestätsbeleidigung bestrafen!« Weidner junior lacht. »Aber im Ernst, wenn er diesen Bosworth unter Vertrag nimmt, dann geht er davon aus, dass sich das Buch sehr gut verkaufen wird.«
Ach was, Jüngelchen! Erklär mir die Welt der Wirtschaft. Natürlich geht Weidner senior davon aus!
»Danke für die Erläuterung, Herr Weidner, aber ich bin weder weltfremd noch blöd. Es ist mir klar, dass es auch für diese Sorte …«, ich zögere einen Moment, »… Literatur einen Markt gibt. Aber mir als intelligenter Frau fällt es zugegebenermaßen schwer, diesen Mist zu lesen und als Produkt ernst zu nehmen. Bei aller Liebe zum schnöden Mammon, so etwas zu vermarkten macht nicht gerade Spaß.«
Offensichtlich bin ich etwas lauter geworden,
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