Sahnehäubchen: Roman
denn jetzt hebt Tom beschwichtigend die Hände. »Schon gut, Frau Seefeld, kein Grund, die Fassung zu verlieren! So war es nicht gemeint. Aber …«, nun blitzt er mich tatsächlich schelmisch und herausfordernd an, »… ich wundere mich, dass Sie als alter PR-Fuchs sich von diesem Manuskript so angefasst fühlen. Ich dachte immer, die Kunst des erfahrenen PR-Machers sei, Produkte unabhängig vom eigenen Geschmack an den Mann oder die Frau zu bringen.«
Wenn ich etwas hasse, dann sind es Belehrungen durch Volontäre. Ich bedenke Weidner mit einem Blick, der hoffentlich deutlich Schweig, wenn dir dein Leben lieb ist! sagt.
Offensichtlich war das zu subtil. Der Kerl plappert munter weiter!
»Ich meine, ist doch so ein bisschen wie Werbung, oder? Und dass all diese jungen, hippen Werber tatsächlich selbst auf Corega Tabs oder Kinderschokolade stehen, glaubt doch keiner.«
Gut, ich muss deutlicher werden. »Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Weidner. Aber wenn ich Wert auf Ihre generellen Ansichten zum Thema Ethik und Public Relations lege, sage ich Ihnen rechtzeitig Bescheid. Lassen Sie uns jetzt lieber gemeinsam überlegen, wie die Pressestrategie für dieses Buch aussehen soll. Dafür werden wir schließlich bezahlt.«
Diesmal hat er verstanden, dass meine eigentliche Botschaft Klappe, sonst Beule lautet, und nickt schnell. Dann räuspert er sich und sagt diensteifrig: »Und wie machen wir das?«
»Normalerweise beginnen wir das Marketing für ein neues Produkt zunächst mit einer SWOT-Analyse«, doziere ich.
»Womit?« Tom Weidner guckt mich etwas ratlos an.
»Mit einer SWOT-Analyse. Das ist die Abkürzung für Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats. « Mein Gegenüber schaut mich an, als würde ich eine fremde Sprache sprechen, was ich streng genommen natürlich auch mache, auch wenn es nur Englisch ist. »Wir beginnen also mit einer Analyse der Stärken und Schwächen des Produktes und seines Marktumfeldes. Wir wollen mit unseren Marketingmaßnahmen schließlich nicht wie mit einer Schrotflinte drauflosschießen, sondern möglichst zielgenau ansetzen, das verstehen Sie doch sicher.«
»Äh, ach so. Ja, natürlich.«
Von wegen! Ich muss mir ein Grinsen verkneifen und fahre fort: »Deswegen analysieren wir zunächst die Situation am Markt genau und planen dann davon ausgehend unsere weitere Strategie. All das führt im Ergebnis zu einer vernünftigen Produktpolitik, wobei wir uns natürlich vorrangig um alle Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Können Sie mir so weit folgen?«
Weidner schüttelt sich kurz. Wahrscheinlich merkt er gerade zu seinem Entsetzen, dass er hier richtig arbeiten soll und reines Dummschwätzen selbst bei einer PR-Agentur nicht reicht.
»Ja, äh, klar. Aber wie genau mache ich denn nun diese SWOT-Geschichte?«
»In diesem Fall: gar nicht.« Ich weide mich an seinem verblüfften Gesichtsausdruck. »Deswegen sagte ich eingangs normalerweise. Ich wollte Ihnen im Rahmen Ihrer Ausbildung kurz erläutern, wie wir in der Regel vorgehen. Aber so wie die Dinge hier liegen, haben wir nicht mehr genügend Zeit für eine grundlegende Analyse und müssen daher auf bewährte Marketinginstrumente zurückgreifen, die immer Sinn machen. Ich würde sagen, wir starten mit einem Mailing an die Redaktionen, bei denen wir Interesse für das Buch vermuten. Wir formulieren also zunächst einmal einen kurzen Pressetext, in dem wir Dwaine und sein Werk vorstellen.«
»Und das schicken wir zusammen mit dem Manuskript raus«, beeilt sich Weidner einzuwerfen, weil er wahrscheinlich nicht den Eindruck im Raum stehen lassen möchte, dass er von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Was allerdings den Tatsachen entspräche.
»Ein guter Gedanke«, sage ich gönnerhaft, schüttle dann aber den Kopf. »Nur leider nicht der richtige. Wir haben momentan nur die Druckfahne hier, und die meisten Journalisten lesen sehr ungern Kopien, selbst wenn wir sie binden lassen – zu unhandlich. Wir müssen also erfragen, ab wann fertige Exemplare des Buches zur Verfügung stehen. Oder vielleicht plant der Verlag ein Leseexemplar? Dann wäre es sinnvoll, das gleich mit rauszuschicken. Klären müssen wir auch, ob uns Herr Bosworth in den nächsten Wochen die Ehre seines Besuchs gibt, denn dann können wir ihn in die Pressearbeit mit einbinden und als Interviewpartner anbieten.«
Bei meinem Gegenüber scheint es nun klick zu machen, und er nickt. Ihm ist anzusehen, dass er Respekt vor meiner Routine
Weitere Kostenlose Bücher