Sahnehäubchen: Roman
her?«
»Unfassbar, oder?« Ich schüttle den Kopf.
»Einerseits ja, andererseits passt sein Stil aber ganz gut zu Bosworths Buch. Vielleicht sollten wir das tatsächlich so rausschicken.«
Ich starre Susanne ungläubig an. »Das ist nicht dein Ernst, oder? Erleben Sie einen unvergesslichen Abend, der Ihr Leben für immer verändern wird? Die zeigen uns doch alle einen Vogel!«
»Zumindest wäre euch damit eine gewisse Aufmerksamkeit sicher. Du weißt doch: Provoziere, um zu reüssieren. « Susanne, die gute alte PR-Sau. Hauptsache, der Name des Produkts ist richtig geschrieben – so kann man ihr Credo in Sachen Öffentlichkeitsarbeit zusammenfassen.
»Okay, wenn du es so siehst«, seufze ich. »Wolltest du eigentlich irgendetwas von mir?«, will ich dann von Susanne wissen.
»Ja, ich brauche dich als Vertretung. Unser Möbelhauskunde hat übermorgen eine große Eröffnung – und ausgerechnet jetzt wird Henning krank. Irgendjemand von uns muss aber auf alle Fälle in«, sie wirft einen flüchtigen Blick auf einen ausgedruckten Terminplan, den sie in der Hand hält, »Düsseldorf dabei sein, sonst steigt uns der Kunde aufs Dach.«
»Eigentlich bin ich hier gerade ganz schön dicht. Das Pressemailing für den Verlag muss dringend raus, wenn wir noch einen Journalisten für das Buch interessieren wollen, und drum herum gibt es noch eine Menge vorzubereiten.«
»Aber du hast doch Tim als Unterstützung.«
»Tom.«
»Wie auch immer. Kann der nicht in den nächsten beiden Tagen alles vorbereiten? Falls er mal eine Frage hat, darf er sich natürlich auch an mich wenden.« Susanne guckt sehr herzerweichend aus ihren großen, blauen Augen.
»Also, ich finde eigentlich …«
»… dass du ja sagen solltest.« Susannes Blick hat sich nicht verändert, ihre Stimme klingt aber bereits zwei Grad kälter. Ach menno, immer ich!
»Wann muss ich denn los? Und ich sage dir gleich: Heute geht es auf keinen Fall.«
»Nein, morgen reicht völlig. Wenn du mittags in Düsseldorf bist, hast du den ganzen Nachmittag Zeit, den Kunden zu betüdeln. Die sind wohl ein bisschen aufgeregt und brauchen im Wesentlichen jemanden, der Händchen hält.« Großartig. Also ein Einsatz als Kinderkrankenschwester.
»Na gut, das sollte ich hinkriegen. Hast du ein paar Infos über die Veranstaltung für mich?«
Susanne nickt. »Ja, bringe ich dir vorbei. Bilde du in Ruhe Jim Weidner aus, ich komme gleich.«
Tom Weidner sitzt in seinem Zimmer und springt gleich auf, als ich hereinkomme. »Und? Wie ist mein Text?«
Wie niedlich: Weidner ist ganz aufgeregt. Das stimmt mich sofort milde. »Ich würde sagen, er hat Entwicklungspotenzial.«
»Oh. Echt?« Er klingt sehr enttäuscht.
»Verstehen Sie mich nicht falsch – er ist auf seine Art gut geschrieben.« Damit habe ich Susannes Anregung Genüge getan, finde ich. »Aber für meinen Geschmack ist er ein bisschen zu reißerisch. Natürlich wollen wir Journalisten für das Buch interessieren. Es soll trotzdem halbwegs der Eindruck vermittelt werden, dass es hier einen gewissen kulturellen Anspruch gibt – soweit das bei dem Thema noch möglich ist. So klingt es, als wollten wir Leute dazu einladen, mit Bosworth durch die Betten zu turnen.«
»Aber das war doch genau Ihre Idee!«
Der Kerl gibt tatsächlich Widerworte? Das hätte ich mich als Volontärin nie getraut!
»Nicht ganz. Wir laden dazu ein, den Meister auf der Pirsch zu begleiten und zu beobachten. Von einem … äh … gewissermaßen gemeinsamen … Abschuss war nicht die Rede. Wir sind schließlich eine seriöse Agentur.«
»Na, wenn Sie meinen …« Tom Weidner atmet tief durch. »Also, ich habe nur versucht, den Inhalt und Stil des Buches möglichst authentisch wiederzugeben. Und es ist nun einmal so, wie es ist. Aber wenn es Ihnen zu peinlich ist, diesen Titel zu promoten, warum machen Sie es dann überhaupt?«
Natürlich hat Weidner mit dieser Frage auf Anhieb ins Schwarze getroffen, aber das würde ich nicht mal unter Folter einräumen. Abgesehen davon könnte ich diese Frage auch nicht aus dem Stegreif in zwei Sätzen beantworten.
»Herr Weidner, ich versuche, Ihnen etwas beizubringen. Dafür wäre es sehr hilfreich, wenn Sie auf Kritik etwas konstruktiver reagieren würden«, entgegne ich spitz.
»Schon gut. Dann sagen Sie mir einfach, was ich anders machen soll.« Er klingt mauliger, als er sollte, aber davon lasse ich mich nicht aus der Reserve locken.
»Ganz einfach: Ihr Text sollte sachlicher klingen.
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