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Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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ist noch am arbeiten und ihr hant eusch dat schon schön jemäht. Wat fies!«, grölt die Erscheinung.
    O Gott, meint der etwa uns? Anscheinend, denn er steuert direkt auf uns zu! Der Kerl streckt mir seine siegelberingte Pranke entgegen und haut mir mit der anderen jovial auf die Schulter. »Huschka, World Wide Entertainment. Aber für disch jerne Dieter.« Das muss der Manager sein. Sagte Hartmann nicht, er hieße Husche? Hat es offenbar nicht so mit Namen. Mag daran liegen, dass seinem Günter bekanntlich auch das h fehlt.
    Huschka setzt sich schnaufend, ordert Altbier und Kurze für die Herren und ein »Piccolösche für die Dame«. Das mit dem Essen scheint gegessen. Zusammen gehen wir den Ablaufplan für den morgigen Tag durch: Aufbau der verschiedenen Gastrostände, der Bühne und der Tombola (als Hauptpreis winkt ein Einkaufsgutschein von Möbel Singer im Wert von 500 Euro, was meiner Meinung nach eher einer Strafe gleichkommt), die Generalproben von Sturm und der örtlichen Cheerleader-Gruppe. Die hat Henning offenbar gebucht, um der Veranstaltung ein wenig internationalen Glamour zu verleihen.
    Nach der dritten Runde Alt, Kurze, Piccolösche gehen wir, wie Huschka sagt, »zum gemütlichen Teil des Abends« über. Was bedeutet, dass er und Hartmann mir, dem »lecker Mädsche«, die »Jesetze des Marktes« erklären: »Dä Samstach wird ene Knaller. Siehste, Mädsche, du darfst dat platte Land nit unterschätze. Mit ene Top-Act wie Sturm mach isch disch hä dä Hütte voll.«
    Hartmann nickt eifrig, ich gucke wohl skeptisch, denn Huschka legt nach: »Mädsche, it is doch äso: Dä Lück, also dä Leute, die wollen wat Reelles. Nit sonne abjehobene Schischi. Also enne Bratwurst, kän Sushi.«
    Auch ich wäre jetzt mit einer Wurst mehr als zufrieden. Schließlich habe ich heute außer zwei pappigen Brötchen aus dem ICE-Bordrestaurant noch nichts in den Magen bekommen. Dafür steht mittlerweile das vierte Piccolösche vor mir, langsam wird mir schlecht. Die Küche des Etablissements hat natürlich längst zu.
    »Dat is doch ejal«, krakeelt Huschka, »dat bissje, wat wir esse, könne wir auch trinke. So jung komme wir schließlisch nit mehr zosamme …« Bevor er weitere Phrasen dreschen kann, schnappe ich mir beherzt mein Rollköfferchen, verabschiede mich artig von Günter ohne h und dem Dieter. Dann wanke ich ins Hotel, das einen ordentlichen Fußmarsch entfernt liegt. Der führt mich sowohl an einer S-Bahn-Haltestelle vorbei, die Ikea heißt, als auch an dem entsprechenden Möbelhaus. Günter ohne h scheint nicht nur ein Problem mit Namen zu haben, sondern auch mit der optimalen Standortbestimmung.

    Als mein Wecker am Freitagmorgen um Punkt sieben schrillt, bin ich völlig gerädert. Die Matratze meines Hotelbetts ist so durchgelegen, als sei sie in den letzten zehn Jahren ausschließlich von der japanischen Sumo-Nationalmannschaft genutzt worden. Hinter meinen Augen pocht es dunkel, wofür wahrscheinlich die ganzen »Piccolösche« verantwortlich sind. Ich schleppe mich unter die Dusche. Heißes Wasser wird’s schon richten.
    Von oben tröpfelt’s lauwarm auf mich herunter.
    Na gut, dann eben nicht.
    Zum Frühstück erwarten mich wieder pappige Brötchen, aber ich greife beherzt zu; wer weiß, wann’s heute noch was gibt …
    Dann schleppe ich mich zum Möbelhaus Singer. Herr Hartmann erwartet mich schon. »Frau Kampsee, wie schön, wie schön!« Auch er sieht etwas mitgenommen aus. Der Anzug sitzt heute noch schlechter, und die schreiend bunte Micky-Maus-Krawatte lässt sein Gesicht noch blasser wirken. Die Sitzung mit Huschka hat wohl länger gedauert. Von dem fehlt allerdings weit und breit jede Spur. Stattdessen wuseln unzählige Handwerker und Techniker durch die Stockwerke, die emsig mit den Aufbauten beschäftigt sind. Läuft doch alles. Was soll ich eigentlich hier?
    Anscheinend erwartet Hartmann, dass ich den ganzen Tag wie ein Hündchen neben ihm herlaufe – quasi als moralische Unterstützung. Also trabe ich die nächsten Stunden an seiner Seite treppauf und treppab und beaufsichtige das Geschehen, bei dem eigentlich nichts zu beaufsichtigen ist. Nur als die Kaarster Cheerleader eintreffen, wird es kurzzeitig etwas hektisch: Teenager am Rande des Nervenzusammenbruchs, die über ihre grellgelben Puschel stolpern und sehr, sehr aufgeregt sind.
    Am frühen Nachmittag trifft endlich auch Huschka ein, extrem ausgeschlafen, extrem gutgelaunt, im Schlepptau fünf extrem gelangweilte

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