Sahnehäubchen: Roman
Nase. So geht es munter weiter.
Nach ihrem dritten Glas im Turbotempo reicht es mir. »Vielleicht solltest du zwischendurch auch mal etwas essen«, sage ich und deute auf ihren vollen Teller.
»Meine Güte, Nina«, Finja stupst mich an, »du hörst dich an wie unsere Mutter.« Dann rutscht sie noch ein wenig näher zu Dwaine und gurrt: »Du warst einfach großartig heute Abend. Einfach groß-ar-tig!«
»Ja, das war ich«, grinst der Gelobte. Wie er da so selbstgefällig und breitbeinig sitzt, könnte ich ihm glatt ein paar reinhauen.
»Da bekommt man als Frau glatt Lust, deine Tipps am eigenen Leib zu erfahren«, schmeichelt sie weiter.
»Honey«, haucht Dwaine ihr ins Ohr, »ich gebe dir gerne eine Kostprobe meines Könnens …«
»Tja, zu schade, dass Finja schon in festen Händen ist. Fester geht es ja kaum«, unterbreche ich das Geturtel und bin kurz davor, auf den Tisch zu hauen. Tom malträtiert schon wieder die Tischdecke und bestellt vorsichtshalber noch eine Flasche Wein.
Als wir beim Dessert angelangt sind, ist meine Schwester stockbesoffen und sitzt fast auf Dwaines Schoß. »Du bisssa ssso sssüssss«, lallt sie, »hättich dich blosss früher getrowwen …«
»Das Schicksal wollte es leider anders«, wehrt er ihre Liebesbekundungen charmant, aber bestimmt ab und bestellt die Rechnung. Nanu, sollte da ein Rest Anstand in diesem verkommenen Cowboy sitzen?
In ihrem Zustand und auf diesen Schuhen schafft Finja den Weg zum Hotel niemals. Dwaine nimmt sie beherzt huckepack und schreitet entschlossen voran. Tom und ich folgen mit einem kleinen Sicherheitsabstand.
»Uuha, mir isss ssso übel«, jammert die Schnapsleiche.
»Sag mal, was ist denn in deine Schwester gefahren?« Tom, der offenbar seine Sprache wiedergefunden hat, schaut mich kopfschüttelnd an. »Die machte in deinen Erzählungen bis jetzt eigentlich eher einen kontrollierten Eindruck.«
»Ich weiß es nicht«, seufze ich. »Wenn sie morgen wieder klar ist, werde ich mal in Ruhe mit ihr reden.«
Als Dwaine mit seinem brabbelnden Gepäck an der Rezeption vorbeigeht, schreckt der Nachtportier aus seinem Nickerchen. »Herrje, ist die Dame verletzt? Soll ich einen Arzt rufen«, fragt er bestürzt.
»Nein, nein«, beruhige ich ihn, »da hat jemand nur ein klitzekleines bisschen zu tief ins Glas geschaut.« Ich verabschiede mich von Tom und wünsche ihm eine gute Nacht. Dann schaue ich mich um. Wo ist denn jetzt Dwaine mit Finja hin? Der wird doch wohl nicht …?
Zwei Stufen auf einmal nehmend, stürme ich die Treppe rauf. Ich hechte in unser Zimmer und sehe gerade noch, wie Dwaine Finja vorsichtig auf dem Bett ablegt, ihr die High Heels abstreift und ihr die Decke bis zum Kinn zieht.
Er geht aus dem Zimmer, an der Tür dreht er sich noch einmal um. »Hase«, sagt er streng zu mir, »was denkst du eigentlich? Entweder kommen die Rehlein freiwillig mit oder nicht. Ich habe es nicht nötig, meine Beute zu sedieren.«
Dem Rehlein geht es erwartungsgemäß am nächsten Morgen gar nicht gut: Es ist sehr blass um die Nase und sitzt mit einem Glas stillem Mineralwasser vor mir am Frühstückstisch. Ich schiebe Finja eine Packung Aspirin über den Tisch, die ich noch in meiner Handtasche gefunden habe. Wortlos greift sie danach und nimmt zwei Tabletten mit einem großen Schluck Wasser.
»Danke, Nina. Ich hoffe, die helfen schnell.«
»Vielleicht legst du dich einfach noch mal hin? Ich habe mit der Rezeption gesprochen, wir brauchen das Zimmer erst um 15 Uhr zu räumen, du könntest also noch ein bisschen schlafen, bevor wir zum nächsten Veranstaltungsort fahren.«
Finja nickt. »Ja, ist vielleicht eine gute Idee. Mein Gott, geht es mir schlecht.«
»Du hast aber gestern auch ganz schön zugelangt. Was ist denn bloß los mit dir?«
»Wieso?«, fragt sie gereizt. »Ich war eben in Partylaune.«
»In Partylaune? Das glaube ich nicht. Also, schieß los – wo ist das Problem? Stress mit dem Göttergatten?«
Finja schüttelt den Kopf. »Bitte, Nina, lass uns ein anderes Mal darüber reden. Ich bin so fertig, ich will einfach nur wieder ins Bett.«
»Okay, wenn du nicht drüber reden willst …« Ich zucke mit den Schultern. »Aber nur, damit du es weißt – wenn ich da irgendwie helfen kann, lass es mich wissen.« »Danke, das weiß ich zu schätzen.« Sie lächelt mich matt an. »Und es gibt tatsächlich etwas – könnte ich ein paar Tage bei dir wohnen, wenn wir wieder in Hamburg sind?«
Ich seufze. Aha: Ehekrise! Wusste ich es
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