Sahnehäubchen: Roman
doch.
»Klar, das geht in Ordnung. Wenn wir morgen wieder nach Hamburg fahren, kannst du gleich mit zu mir kommen.«
16. Kapitel
D ie Aufnahmeleiterin unterhält sich angeregt mit dem Knopf in ihrem Ohr. Sie gestikuliert, zeigt mal auf Dwaine, mal auf die Dressler-Zwillinge und den anderen Studiogast, mal auf den noch leeren Platz von Moderator Kay Thomas. Ich stehe am Studioeingang, direkt neben mir die Maskenbildnerin, die die Szenerie gelangweilt beobachtet. Hat die es gut! Langeweile ist ein Gefühl, das ich gerade auch sehr gerne hätte. Stattdessen bin ich unglaublich aufgeregt.
Direkt neben mir geht jetzt die schwere Metalltür auf – und es erscheint Kay Thomas. Das kann doch nur bedeuten, dass es gleich losgeht. Deutschlands beliebtester Talkmaster schlendert ins Studio und verströmt Lässigkeit aus jeder Pore. Ganz Vollprofi eben. Und gut schaut er aus. Zwar nicht besonders groß, aber ein sehr sportlicher Typ, leicht gebräunt, die dunklen Haare an den Schläfen schon etwas ergraut. Mit anderen Worten: Kay Thomas ist ein schöner Mann. Das scheint mittlerweile auch Dwaine erkannt zu haben, denn er beginnt, sich aufzuplustern. Streckt sich in seinem Sessel, fährt sich immer wieder durch die Locken und zerstört damit wahrscheinlich eine Stunde harter Arbeit in der Maske. Nun knöpft er tatsächlich auch noch das sauteure, saubunte D&G-Hemd von unserem Leipziger Shoppingtrip einen Knopf weiter auf. Ich seufze. Hoffentlich geht die Nummer hier nicht gleich grandios in die Hose!
Kay Thomas nimmt hinter seinem Tisch Platz, die Maskenbildnerin pudert noch ein letztes Mal allen die Näschen. Die Managerin der Dressler-Zwillinge verhandelt mit der Aufnahmeleiterin – auf keinen Fall näher als einen halben Meter an die Damen heran, auf keinen Fall! Gut, für ihre mutmaßlichen siebzig Jahre haben sich die beiden sensationell gehalten, wahrscheinlich sollte man aber tatsächlich nicht genauer hinsehen. Dann die Stimme der Regie aus dem Off: »So, noch zehn Sekunden, dann sind wir drauf. Viel Spaß!«
Kurz darauf ertönt die Erkennungsmelodie der Show – jetzt wird’s ernst. Kay Thomas begrüßt seine Gäste und stellt sie einzeln vor. Erst die Dresslers, dann den anderen Gast, der Winfried Bornhold heißt und Verhaltensbiologe ist. Als Dwaine an der Reihe ist, grinst er so breit, dass er eine Banane locker quer verspeisen könnte. Seriös ist anders, aber bei seinem Outfit und der Vorstellung als Verführungskünstler hätte ihn wahrscheinlich sowieso niemand für den Finanzvorstand der Kreissparkasse Storman gehalten.
Die Dresslers gehen mal wieder auf Abschiedstournee und erhalten hier Gelegenheit, diese Tatsache sowie alle 32 Auftrittsorte gefühlte 45 Mal zu erwähnen. Dann plauschen sie mit Thomas über ihre glanzvollen Jahre als Entertainerinnen in den frühen sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Dwaine guckt gelangweilt. Vermutlich hat er thomas talkt noch nie zuvor gesehen und wundert sich jetzt, dass hier noch andere Leute außer ihm zu Wort kommen. Frau Smit hatte ihm zur Vorbereitung zwar ein paar ältere Sendungen auf DVD gebrannt, aber der Meister hatte bestimmt Besseres zu tun. Nun gähnt er ausgiebig und zeigt dabei noch einmal sein ebenmäßiges Gebiss. Schöner kann man Desinteresse gar nicht demonstrieren. Ich hoffe sehr, dass er darüber nicht seinen Einsatz verpasst, denn mittlerweile steuert Thomas auf eine Überleitung zum großen Meister zu.
»Eva, Marie – Sie waren absolute Sexsymbole, der Wunschtraum aller Männer. Haben Sie denn damals auch sogenannte Verführungskünstler wie Dwaine Bosworth kennengelernt? Für die waren Sie doch bestimmt eine begehrte … äh, nun … ich will es mal Trophäe nennen.«
Die beiden älteren Damen kichern und werfen sich gegenseitig vielsagende Blicke zu. »Ach wissen Sie, Herr Thomas«, beginnt Eva Dressler, »zu unserer Zeit brauchte man andere Dinge, um eine Dame zu beeindrucken. Ein buntes, aufgeknöpftes Hemd gehörte jedenfalls eindeutig nicht dazu. Wenn Sie Frank Sinatra einmal persönlich kennengelernt haben, wissen Sie: Ein echter Kerl ist trotzdem auch immer ein Gentleman.« Schwester Marie nickt heftig, Kay Thomas fixiert Dwaine.
»Nun, Dwaine. Was sagen Sie dazu? Hat man als Gentleman heute überhaupt noch Chancen? Wenn ich Ihr Buch richtig verstehe, sollte man Frauen nicht mit guten Manieren verwöhnen, wenn man Erfolg haben will.«
Dwaine zieht die Augenbrauen hoch und überlegt kurz. »Kay – hat Ihnen meine
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