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Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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aufregend. In so einem Auto bin ich noch nie gefahren.«
    Nein, denke ich, als Hamburger Chefarztgattin warst du bis vor kurzem auch eher auf hanseatisches Understatement gepolt.
    Dwaine tätschelt gönnerhaft Finjas Knie und fragt: »Champagner gefällig, die Damen?«
    Ich werfe ihm einen scharfen Blick zu. Finger weg von den weiblichen Familienmitgliedern! Dwaine setzt sein unschuldigstes Lächeln auf und klopft an die Glasscheibe, die uns vom Fahrer trennt. Dieser fährt sie kurz ein Stück herunter.
    »Mach uns mal ein bisschen Musik!«, befiehlt Dwaine. Es dauert keine zwei Sekunden, dann dudelt Maria Mena aus den Lautsprechern.

    You self-destructive little girl
    Pick yourself up, don’t blame the world
    So you screwed up, but you’re gonna be OK

    Finja seufzt tief. »Dass nun ausgerechnet dieses Lied kommt! Ich höre es momentan ständig, ich finde, es beschreibt mein Leben ganz genau. Das ist doch ein Zeichen!«
    »Ja, ein Zeichen für gute Chart-Plazierung«, kommentiere ich bissig.

    Now call your boyfriend and apologize
    You pushed him pretty far away last night
    He really loves you, you just don’t always love yourself

    »Soso, Frau Mena, im Zweifelsfall ist also die Frau schuld, oder was?« Das ist doch nicht zu fassen! Aber Finja ignoriert mich, und Dwaine tätschelt noch mal verständnisvoll ihr Knie.
    »Zu Mey und Edlich in der Ernst-Mey-Straße«, weise ich den Fahrer ermattet an. Dann rollt die Stretchlimo los.

    Leider kann auch Mey und Edlich den elaborierten Geschmack unseres Bestsellerautors nicht befriedigen. Langweilig, spießig und provinziell findet er die dargebotene Ware. Weiter geht’s zu Peek und Cloppenburg. Immerhin lässt sich Dwaine hier überreden, in einen cremefarbenen Leinenanzug von Boss zu schlüpfen. Als er aus der Umkleidekabine kommt, trägt er unter dem Sakko nichts als seine gestählte Männerbrust. Ich fange an, mich in Grund und Boden zu schämen. Finja und die Verkäuferin allerdings können ihren Blick kaum von seinem Sixpack losreißen.
    »Na ja, ganz nett«, Dwaine dreht und wendet sich vor dem Spiegel, »aber gar nicht mein Style.«
    Langsam fange ich an, genervt zu sein. Als wir wieder in der Limo hocken, zische ich ihm zu: »Mensch, wir sind hier in Leipzig, nicht in Las Vegas.«
    Er hebt beschwichtigend die Hände. »Schon gut, wenn wir nichts finden, hab ich ja immer noch meinen Smoking.« Und meine Schwester entblödet sich nicht, ein »Im Smoking siehst du bestimmt toll aus« hinterherzuschieben. Was ist bloß mit der los?
    Zum Abschluss unserer Tour landen wir bei Breuninger am Markt. Dwaine stolziert in den Laden, schnippt den Verkäufer herbei und fragt von oben herab: »Sagen Sie, haben Sie hier etwas von Gucci oder Versace?«
    Gucci? Versace? Bei dem Herrn scheint der plötzliche Reichtum ausgebrochen zu sein! Breuninger führt weder Gucci noch Versace, dafür haben sie ganz hübsche Hemden von Dolce & Gabbana. Dwaine liebäugelt selbstredend mit dem schrillsten Exemplar: weißer Kragen, weiße Manschetten, der Rest über und über mit roten und schwarzen Pünktchen übersät. »Sitzt tadellos. Und passt prima zum Smoking«, entscheidet er sich.
    Klar, denke ich gehässig, wenn man als Clown im Zirkus auftreten möchte, ist es perfekt.
    Dwaine drückt mir seine Beute in die Hand, hakt Finja unter und flaniert mit ihr in Richtung Limousine. »Nina, bist du so nett und erledigst das mal eben? Ich hab gar kein Geld dabei …«
    Sprachlos starre ich den beiden hinterher und wanke dann zur Kasse.
    »240 Euro, bitte. Zahlen Sie bar oder mit Karte?«
    240 Euro? Für ein hässliches Hemd? Ich glaub, ich spinne!

    In Thanow wollen Finja und ich uns erst einmal ein wenig frisch machen. Tom, der im Hotel schon auf uns gewartet hat, empfängt uns mit einem vorwurfsvollen: »Wo wart ihr denn so lange?«
    »Shoppen. Mit Dwaine. Weißt Bescheid?«, erkläre ich kurz.
    »Ach so.« Tom guckt mitleidig. »Alles klar.« Dann schnappt er sich den Fashion-King, um mit ihm das örtliche Gemeindezentrum, in dem am Abend der Auftritt stattfindet, zu erkunden. »Ich hab das im Griff, Nina, ruht euch ruhig ein bisschen aus.«
    Ich lächle ihn dankbar an und schiebe meine Schwester in den Aufzug, bevor die auf die Idee kommen kann, doch noch etwas mehr Zeit mit Dwaine verbringen zu wollen.
    »Der ist aber auch sehr nett«, sagt Finja, kaum dass sich die Tür geschlossen hat.
    »Das ist Tom«, entgegne ich irritiert.
    »Und das eine schließt das andere aus, oder

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