Sahnehäubchen: Roman
was?«
Ich verdrehe genervt die Augen. »Finja, im Ernst: Ausruhen ist jetzt angesagt, nicht über irgendwelche Männer reden, okay? Das kann heute Abend alles ganz schön anstrengend werden.«
»Meinst du?«
Ja, Schwesterchen, denke ich. Glaub mir einfach. Alles, was mit Dwaine zu tun hat, wird irgendwann anstrengend …
Und richtig: Als Finja und ich um 19:30 Uhr im Gemeindezentrum auflaufen, ist der Saal schon rappelvoll, ausverkauft bis auf den letzten Platz. Auch der sächsische Mann braucht anscheinend dringend Baggerhilfe. Wir quetschen uns zu Tom in den kleinen Regieraum auf der Empore, von dem wir einen 1-a-Blick auf die Bühne haben.
»Ich bin ja sooo gespannt«, raunt Finja mir zu. Irgendwie erkenne ich meine Schwester gar nicht mehr wieder. Sie ist so aufgedreht. Und, nebenbei bemerkt, für den Anlass etwas zu aufgerüscht in ihrem Kleidchen, das irgendwo zwischen kleinem Schwarzen und einem Hauch von Nichts rangiert. Auch ihre silbernen High Heels finde ich für das Thanower Kopfsteinpflaster eher suboptimal. Auf dem Weg vom Hotel hierher hat sie sich schon fast das Bein gebrochen.
Das Saallicht erlischt, dann beginnt die große Show, die Dwaine mittlerweile routiniert abspult. Ich kann sie selbst schon herunterbeten, und wahrscheinlich dauert es auch nicht mehr lang und ich kann mühelos eines seiner Go-go-Girls ersetzen – selbst eine tänzerische Null wie ich dürfte die richtige Schrittkombination langsam draufhaben.
Zwei Stunden später tobt die aufgewühlte Menge. Bei der anschließenden Signierstunde wird Dwaine vor lauter Begeisterung fast erdrückt. Wir anderen drei beobachten den Tumult aus sicherer Entfernung.
»Wow!«, flüstert Finja atemlos. »Was für ein Auftritt. Der Mann ist ja echt der helle Wahnsinn!« Sie scheint völlig hingerissen zu sein. Tom und ich gucken uns erstaunt an.
Dwaine will den Erfolg natürlich begießen. Wir landen im einzigen Thanower Restaurant, einem kleinen italienischen, das kurioserweise von einem vietnamesischen Ehepaar betrieben wird. Finja schält sich aus ihrem Mantel und humpelt erst mal zur Toilette; einer ihrer Stilettos hat die Schlaglöcher offenbar nicht überlebt. Dwaine pfeift ihr anerkennend hinterher. »Baby, du siehst heiß aus!«
Meine Schwester kichert und entschwindet.
»Dwaine!«, fahre ich ihn an. »Lass das! Denk dran, wir haben eine Abmachung.«
»Kein Grund zur Eifersucht. Ich wollte nur nett sein«, erwidert er.
»Und überhaupt«, zicke ich weiter, »ich bekomme noch 240 Euro von dir.«
»Wofür?«
»Für dieses scheußliche Hemd. Du erinnerst dich?«
»Ich dachte, das geht jetzt mal auf Agenturkosten. Das könnt ihr doch bestimmt absetzen, als Spesen oder Arbeitsmaterial oder so. Schließlich musste ich schon die Go-gos, die Stretchlimousine und den Chauffeur bezahlen.« Dwaine guckt mich bittend an. »Der Spaß kostet satte tausend Tacken am Tag.«
»Na und? Ich denke, in Amerika bist du Auflagenmillionär. Da muss doch ein bisschen was hängen geblieben sein.«
»Klar, das bin ich prinzipiell natürlich auch. Aber die Finanzkrise, der Aktienmarkt … du weißt schon – Rentabilität ist nicht automatisch Liquidität, und deshalb …«
»Dwaine«, unterbreche ich ihn kühl, »wir sind hier nicht im Proseminar Betriebswirtschaftslehre. Also, was ist jetzt mit der Kohle?«
Er guckt mich böse an, dann gibt er zu: »Ehrlich gesagt, bin ich gerade ein bisschen klamm …«
Ach nee, schön einen auf dicke Hose machen, sich das aber gar nicht leisten können, denke ich – und dummerweise ist es da auch schon aus meinem Mund heraus: »Ach nee, schön einen auf dicke Hose machen, sich das aber gar nicht leisten können?«
Mist. Damit bin ich nun definitiv zu weit gegangen. Tom pult verlegen an der Tischdecke herum, Dwaine hat wieder seinen Hundeblick aufgesetzt. Bevor er noch anfängt zu hecheln und zu sabbern, sage ich: »Okay, ich werde nachfragen, was Susanne dazu meint.« Sollte ich mich vielleicht auch noch bei ihm für die schroffe Anfuhr entschuldigen? Genau im richtigen Moment kommt nun aber Finja zurückgestöckelt: »Kaugummi!«, strahlt sie.
»Eine tolle Frau findet eben immer Mittel und Wege«, ölt Dwaine los. Das scheint bei ihm ein Reflex zu sein. Aber immerhin ist die angespannte Situation damit vom Tisch, und wir bestellen Antipasti, Pasta und eine Flasche Rotwein. Mein Schwesterherz stürzt ihr erstes Glas herunter, als wäre es Wasser, und hält es Dwaine zum Nachfüllen sofort unter die
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