Sahnehäubchen: Roman
mich?«
»Dwaine!«, fahre ich ihn an. »Äh, ich meine … Nils! Sauer ist überhaupt nicht das richtige Wort. Ich bin entsetzt! «
»Komisch.« Er schaut mich direkt an. »Irgendwie hatte ich gehofft, du seist vielleicht auch ein bisschen froh.«
»Ein bisschen froh? Wie soll ich denn darüber ein bisschen froh sein?«
»Immerhin bin ich in Wirklichkeit kein männliches Chauvinistenschwein. Ich hatte den Eindruck, dass dir das an Dwaine nicht so gut gefallen hat.«
»Na großartig. Kein Chauvi, sondern ein Betrüger. Das ist eine tolle Verbesserung. Da erscheint der Herr gleich in einem viel besseren Licht«, ätze ich.
»Und jetzt?«, will er wissen.
»Jetzt gehe ich!« Mit diesen Worten springe ich auf, lasse den Laptop so laut zuklappen, dass Dwaine-Nils erschrocken zusammenzuckt, und marschiere aus dem Raum.
Ich liege in meinem Bett und kann nicht schlafen, weil ich wechselweise Magenschmerzen und Herzrasen habe. Kamillentee hilft nicht, Baldriantee auch nicht, und stärkere Tranquilizer stehen mir nicht zur Verfügung. Okay, vielleicht noch die Flasche Rotwein, die seit meinem letzten Geburtstag mit hübscher Schleife verziert in meinem Wohnzimmerregal steht. Aber die jetzt köpfen?
Nachts um drei? Alleine? Das ist doch definitiv etwas für Alkoholiker.
Verdammt – der Korken geht aber schwer raus! Ich muss mir bei Gelegenheit mal diesen Wunderkorkenzieher besorgen, den sie immer auf dem Homeshopping-Kanal anpreisen. Noch einmal ganz fest gezogen – endlich! Mit einem lauten Plopp lässt sich der Korken schließlich herausziehen, ich gieße einen sehr großen Schwung in mein Glas. Besondere Situationen erfordern eben besondere Maßnahmen, und die Situation, in der ich mich befinde, ist zweifelsohne besonders.
Vor drei Stunden habe ich Dwaine – oder Nils? – mit der fast vollen Flasche Veuve Cliquot sitzen lassen. Gut, das war wahrscheinlich keine besonders erwachsene Reaktion, aber zu mehr war ich nach seinem spontanen Geständnis nicht in der Lage. Und über diesen Schwindel soll ich auch noch froh sein? Schon bei dem Gedanken daran bekomme ich sofort wieder Herzrasen. Entschlossen nehme ich einen Schluck aus dem Glas.
»Nina? Bist du es?« Finja steckt ihre Nase aus dem Arbeitszimmer. »Mann, hast du mich erschreckt, ich dachte schon, es wäre ein Einbrecher.« »Ich wollte dich nicht wecken, tut mir leid.«
Finja hat ihre Ankündigung, bei mir Asyl zu suchen, in die Tat umgesetzt, ohne mit einer Silbe zu erwähnen, was genau das Problem in Wellingsbüttel ist. Sollte das jetzt der richtige Moment sein, ihr ein bisschen auf den Zahn zu fühlen?
Warum eigentlich nicht. Ein bisschen Ablenkung von meinem eigenen Problem kann ich ganz gut gebrauchen.
»Möchtest du auch ein Glas Rotwein?«
»Ja, gerne. Ich schlafe gerade sowieso nicht besonders gut, vielleicht hilft das.«
»Bestimmt.« Ich stehe auf und hole ihr noch ein Glas, sie setzt sich auf das Sofa. »Sag mal, Schwesterlein, was ist da eigentlich los bei euch? Knies mit Alexander?«
»Nö. Wie kommst du darauf?« Auf Finjas Wangen breitet sich ein Hauch Röte aus. Wenigstens ist ihr diese faustdicke Lüge also unangenehm.
»Wie komme ich da wohl drauf? Lass mich mal überlegen … Du tauchst auf, als seist du auf der Flucht, gibst dir abends so richtig amtlich die Kante und bist dann dermaßen anhänglich bei Dwaine, dass es schon an sexuelle Belästigung grenzt«, lege ich los. »Dann fährst du nicht nach Wellingsbüttel zurück, sondern quartierst dich ohne weitere Erklärungen in meinem Gästezimmer ein, während Mutti bei euch einhütet und dem armen Alexander wahrscheinlich gerade mördermäßig auf den Keks geht. Das ist zugegebenermaßen nicht die Finja, die ich kenne. Meine Finja ist sehr kontrolliert, immer damenhaft und trinkt höchstens mal ’ne Weißweinschorle. Außerdem ist sie Daueranwärterin auf den Titel Mutter des Jahres und lässt ihre Brut garantiert nie länger als drei Stunden aus den Augen.« Ich sehe ihr fest in die Augen. »Also, was ist los bei euch?«
Finja sagt nichts, stattdessen fängt sie an zu schluchzen. Ich rutsche ganz nah an sie heran und lege meinen Arm um sie.
»Ist ja gut, Süße, ist ja gut.«
Ich streichle Finja über die Haare, sie legt ihren Kopf auf meine Brust und weint so sehr, dass ihre Tränen in meinen Ausschnitt laufen und eine warme Spur in Richtung meines Bauchnabels hinterlassen. Dann richtet sie sich wieder auf, holt Luft und beginnt zu erzählen.
»Ich glaube, ich
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