Sahnehäubchen: Roman
Schwindel sind.«
»Na ja, wie man’s nimmt.« Dwaine-Nils bemüht sich, besonders treudoof zu gucken.
»Was heißt hier wie man’s nimmt? «, knarze ich ihn an. » Wer bist du denn?«
Mein Gegenüber seufzt. »Ich heiße Nils Schlemmberger und bin Schauspieler. Leider ein sehr erfolgloser.«
»Und?«, hake ich spitz nach.
»Vor einem Jahr war ich an dem Punkt, an dem ich eine Entscheidung treffen musste: Hartz IV beantragen oder etwas ganz Neues versuchen. Ich entschied mich für Letzteres … und kam auf die Idee, zu behaupten, ein amerikanischer Verführungskünstler zu sein, und meine Tricks in einem Buch zu verraten. Zeit genug, eines zu schreiben, hatte ich mangels irgendwelcher Engagements schließlich genug. Ich dachte, wenn ich für diese völlig schwachsinnige Geschichte einen Verlag finden würde, dann hätte es die Menschheit nicht anders verdient. Und so schrieb ich mein Buch und bat einen Freund, es als angeblich amerikanischer Agent in Deutschland anzubieten. Dann musste ich nur noch eine Website ins Netz stellen, auf der natürlich alles frei erfunden ist, und abwarten.«
Das alles war ein Schwindel? Auch die Website, auf der ich doch selbst recherchiert habe? »Ja, aber … aber, das muss doch aufgefallen sein. Ich meine, das kann nicht so einfach gewesen sein. Millionen Menschen träumen davon, ein Buch zu veröffentlichen, und kassieren nur Absagen. Und dein Freund behauptet, er sei Agent, und schwupp, schon hast du einen Verlag? Das glaube ich nicht. Das kann gar nicht funktionieren.«
»Doch, es hat funktioniert.« Dwaine-Nils grinst. »Und ich habe dabei etwas ganz Wesentliches über menschliches Verhalten gelernt: Wenn die Geschichte wild genug ist, werden die Leute sie glauben. Das ist das Grundprinzip der Hochstapelei: Du musst das ganz große Rad drehen. Bei kleinen Geschichten werden alle schneller misstrauisch. Aber wenn du losziehst und richtig auf die Kacke haust, kann sich offenbar niemand vorstellen, dass du lügst. In meinem Fall: Der Verlag sieht Dwaines angebliche Homepage, und der angebliche Agent berichtet von einem angeblichen Konkurrenzangebot eines anderen großen Verlags. Dann noch ein bisschen künstlicher Zeitdruck dazu – und schon ist das natürliche Misstrauen überwunden.«
»Aber das verstehe ich nicht – ich habe dich doch auch gegoogelt und gefunden. Es sah alles so echt aus.«
»Ja, die Homepage war gut, nicht? Da habe ich mir auch wirklich Mühe gegeben. Allein die Behauptung, das Buch sei im Selbstverlag erschienen. Genial, oder?«
»Warum?«
»Na, weil ich so behaupten konnte, ich hätte rasend viele Bücher verkauft, ohne auf der Bestsellerliste der New York Times zu erscheinen. Books on Demand werden da nicht berücksichtigt. Aber das erklärte alles, sonst wäre der Verlag doch gleich misstrauisch geworden.«
»Also war das alles Lüge?«, frage ich fassungslos.
»Na ja. Lüge ist so ein hässliches Wort.« Er lehnt sich lässig zurück.
»Entschuldige, aber das ist doch wohl nicht Interpretationssache!«
»Nein, natürlich nicht.« Nun wird Dwaine-Nils wieder ernst. »Ich meine nur, dass meine Show doch auch irgendwie echt ist. Ich helfe den Männern ja trotzdem, obwohl ich nicht Dwaine bin.«
»Stopp mal – du hilfst den Männern nicht!« Ich merke, wie sich eine steile Falte auf meiner Stirn bildet. »Denn die kommen zu Dwaine, dem erfahrenen Frauenaufreißer, und wollen von seinem Wissen profitieren. Ein Wissen, das du gar nicht hast. Oder bist du als Nils ein echter Aufreißer und Dwaine ist quasi eine Art Pseudonym?«
Er guckt betreten zu Boden.
»Aha«, schlussfolgere ich daraus, »also nicht. Dachte ich mir schon.«
»Du hast recht, Nina«, gesteht der Möchtegernaufreißer betreten. »Ich bin nicht nur als Schauspieler erfolglos. Mit den Frauen läuft es eigentlich auch nicht so rund.« Er sieht mich groß an. »Und jetzt?«
Mit seinen beiden letzten Worten lässt er die Gedanken in meinem Kopf wieder nur so umherwirbeln: Ich muss jetzt sofort Susanne anrufen und ihr davon erzählen. Und: Was passiert, wenn jemand Dwaine im Fernsehen erkannt hat? Und der Presse erzählt, dass es sich in Wirklichkeit um Nils handelt? Wie kriegen wir diese Geschichte noch eingefangen? Und: Wie ziehen wir möglichst geräuschlos die Reißleine? Denn eines ist doch wohl klar: Wir können unmöglich weiter mit einer Show auf Tour gehen, von der wir wissen, dass sie von hinten bis vorne erlogen ist.
»Bist du jetzt sauer auf
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