Saigon - Berlin Thriller
musste eine schlechte Erfahrung sein. So wie ich ihr ein schlechter Vater gewesen war.
»Jeder Wagen neben uns kann die Polizei rufen, wenn du hier mit den Waffen herumfuchtelst. Und die verfügt über Hubschrauber. Die interessiert ein Autostau nicht. Also, pack das Zeug endlich weg.«
The-Maria sah einen Moment den Fahrzeugen neben uns zu, als bewegten wir uns kriechend in einem Dino-Park, und schüttelte den Kopf.
»Wenn ihr das für erstrebenswert haltet, eure Freizeit auf der Autobahn zu verbringen? Warum fliegt ihr dann nicht alle gleich mit Hubschraubern?«
Sie zerlegte die Kalaschnikow und sammelte die übrigen Sprengmittel wieder vom Rücksitz. Stopfte sie in ihren grünen Armeebeutel.
Sie war unruhig. Diese Unruhe übertrug sie auf mich. Ich rief mich zur Ruhe. Wir steckten im Stau fest. Da war nichts zu machen. The-Maria hängte sich ihren Kampfbeutel um und kletterte auf den Beifahrersitz. Zog die Beine an den Bauch und fixierte die Borduhr und im Schminkspiegel den nachfolgenden Verkehr. Der hatte Glück. Es war kein weißer Golf hinter und neben uns. Die Makarow hatte sie nicht in den Beutel gesteckt. Die lag griffbereit auf der Mittelkonsole. Der gespannte Schlagbolzen deutete daraufhin, dass sie schon eine zusätzliche Patrone im Lauf deponiert hatte. Nun waren neun Schuss in der Waffe.
Dreißig Minuten waren vergangen. Wir kamen nur mühsam vorwärts. Die Verkehrsnachrichten bereiteten uns auf weitere dreißig Minuten auf diesem Autobahnabschnitt vor. Mindestens.
»Wartest du auf etwas?« Der Stau wollte und wollte sich nicht auflösen. The-Maria spielte mit den Händen. Verknotete ihren bunten Gürtel. Ließ das Magazin aus der Pistole gleiten, um es gleich wieder lautstark einzusetzen. Sah ständig auf die Borduhr und fragte, ob sie richtig ging.
Wir hatten frühen Nachmittag. Stehenden Verkehr und leichten Regen. Mehr konnte ich ihr auch nicht sagen. Sie zu fragen, hatte ich inzwischen aufgegeben. Sie wollte nicht gefragt werden. Wie ihre Mutter, die nur geredet hatte, wenn sie es für sich für am Vorteilhaftesten gehalten hatte. Erklärungen für eine Langnase waren für sie reine Zeitverschwendung. Wir würden es ohnehin nicht verstehen. Dabei war es geblieben. Büffel, Saatgut, Auto. Das waren die für sie definierbaren Begriffe für ihren »Soldaten«. Daran wurde er gemessen. Mehr hatte und sollte er auch nicht verstehen.
Das Autotelefon dudelte. Wir waren die letzte Stunde kaum zwei Kilometer weitergekommen. The-Maria sah mich an. Ich sah sie an. Der Unbekannte rief an. Was wollte er oder sie jetzt noch? Wollte er uns nun mit Kleinem Drachen erpressen.
»Was ist? Warum gehst du nicht dran?« The-Maria spielte nervös mit der Waffe, als würde das etwas helfen.
»Willst du jetzt das Telefon erschießen? Geh gefälligst selbst ran. Für mich kann es nicht sein.«
»Und wenn doch?« The-Maria wurde gefährlich nervös. Ein kurzer Rundumblick im Verkehr. Es war kein weißer Golf, es war überhaupt kein weißer Wagen in unserer Nähe. Und was wäre, wenn der Unbekannte die Wagenfarbe gewechselt hatte?
»Ja?« Ich hatte den Anruf angenommen, nachdem sich meine Tochter geweigert hatte, den Hörer abzunehmen.
»Ich hätte gerne deine Beifahrerin gesprochen, die gerade vom Rücksitz nach vorne geklettert ist.«
Die Stimme klang verzerrt und schien sich einen Spaß daraus zu machen. Sie klang wie aus einem Zeichentrickfilm von Walt Disney. Dieses Mal imitierte sie Goofy.
»Wer bist du und wo steckst du?« Die Stimme musste uns folgen. Sonst hätte sie The-Marias Platzwechsel nicht sehen können.
»Du stellst immer die gleichen dummen Fragen, die ich dir jetzt noch nicht beantworten kann. Tu einfach das, was ich dir sage. Gib mir deine Tochter.« Es folgte ein quakendes Gelächter wie von Dagobert Duck.
»Für dich.« Ich reichte den Hörer an The-Maria weiter. Sie schmunzelte, als sei ein vorgefertigter Plan aufgegangen.
»Vuhng?« Ein fragendes Ja. Der Anrufer und The-Maria sprachen Viet. Sie hörte zu und schüttelte den Kopf. Ich fuhr drei Autolängen vor. Der Stau war zäher, als es die Verkehrsnachrichten meldeten. Hier war ich machtlos mit den zweihundertfünfzig PS des Wagens. Ich, wir saßen fest, wenn wieder ein Anschlag auf uns geplant war.
»Ya'a.« Ein zustimmendes Ja.
The-Maria nickte. »Kohng.« Nein. Die Diskussion war einseitig und begann an meinen Nerven zu zerren.
»Werdet ihr mal fertig?«, knurrte ich und scherte auf den Standstreifen aus. Im Rückspiegel sah
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