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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe
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dass du mal auf einen Drink vorbeischaust. Und jetzt?«
    Sie besah sich meine Verbände und schüttelte den Kopf.
    »Wenn das die einzige Verbindung zwischen uns sein wird, dann gebe ich es auf, einen Mann zu finden. Komm, ich kümmere mich um deine Wunden.«
    Sie sah aus wie ein Metzger, der eine Herde geschlachtet hatte. Blut. Überall Blut. Ihre Schritte waren müde. Ihre Haut wirkte wie gebleichte Kakaobohnen. Ein fahles, weiß bestäubtes Braun.
    »Ich mache das nicht mehr mit«, murmelte sie. Säuberte meine Wunden. Desinfizierte und verband sie neu.
    »Was heißt, du machst das nicht mehr mit?«
    Micky versorgte uns mit Whiskey in Reagenzgläsern aus ihrem Giftschrank.
    »Ich habe um meine Entlassung aus der Armee gebeten. Daraufhin haben sie mich schnell noch zum Leutnant befördert. Völlig außer der Reihe. Jetzt habe ich nur noch Feinde. Eine Niggerin wird vorzeitig zum Offizier. Das geht nicht.«
    Wir rauchten und tranken. Sahen zum Fenster der Baracke hinaus. Hubschrauber starteten und landeten. Das übliche Kommen und Gehen.
    »Und was willst du dann machen?« Micky war mir ans Herz gewachsen. Ehrlich, herzlich, aber zu direkt für diesen Betrieb. Und leider mit der falschen Hautfarbe ausgestattet. Die Natur war grausam.
    »Ich werde in meine Heimat zurückgehen und mein Medizinstudium beenden. Das internationale Rote Kreuz sucht weltweit Ärzte mit Kriegserfahrung. Aber eben Ärzte. Und das bin ich nicht«, setzte sie leise hinzu.
    »Du musst jetzt gehen. Ich bekomme neue Kunden.« Micky deutete auf ein gutes Dutzend Sanitäter, die sich im Laufschritt der Baracke näherten.
    »Ich muss mich umziehen. Sonst sterben mir die Verletzten schon vor Schreck unter den Fingern weg.«
    Sie stützte sich auf den kleinen Schreibtisch mit der kleinen Leuchte auf einen Berg von Papier. Blätterte kurz den Papierwust durch und seufzte. »Diesen Scheiß muss ich heute auch noch ordnen. Jeder Tote braucht sein Krankenblatt. Alles muss seine Ordnung haben. So ein Schwachsinn. Wie dies hier alles ein totaler Schwachsinn ist.« Sie zündete sich eine Zigarette an, nahm noch einen Schluck aus dem Reagenzglas. Musterte mich mit tränenden Augen. Schluckte die Tränen hinunter.
    Mir war danach. Ich musste sie in die Arme nehmen. So gut das mit meinem verbliebenen Flügel ging.
    »Der vietnamesische Arzt ist desertiert. Die Hälfte unserer Jungs sind abgezogen. Es sind nur noch die Piloten, das technische Personal und ein paar Tausend vietnamesische Hosenscheißer hier. Und die werden auch jede Nacht weniger. Ein paar Hiwis bei den nötigsten Operationen. Mehr habe ich nicht mehr. Ich halte das nicht mehr länger aus. Ich kann nicht mehr.«
    Ihre unterdrückten Tränen suchten sich ihren Weg. Wie ein Dammbruch. Ich hatte einen bitterlich weinenden Schokoladenpudding im Arm.
    »Und die Piloten ...«, schluchzte sie in kurzen Atemstößen, »steigen nicht mehr in ihre Kisten, ohne von mir vorher mit irgendwelchen Mitteln versorgt zu werden. Sie fliegen schlecht. Machen viel Bruch, und ich habe hier langsam mehr mit Rauschgiftsüchtigen als mit Soldaten zu tun. Ich muss hier weg, sonst werde ich wie die.«
    Micky putzte sich die Nase. Wusch sich die Hände und das Gesicht. Zog sich ohne Rücksicht auf meine Blicke um.
    »Was ist? Hast du noch nie eine nackte Niggerin gesehen? Ist an mir was anders als bei anderen Frauen? Wir bekommen genauso Kinder wie ihr Weißen. Pimmel rein. Pimmel raus. Fertig. Ihr geht wieder euren Kriegsspielen nach. Den Rest brüten wir dann schon aus.«
    Micky hatte sich einen weißen Kittel angezogen, der den Kontrast zu ihrer Hautfarbe noch verstärkte. Sie lächelte wieder. Aber das war rein dienstlich.
    »Du musst jetzt gehen. Ich habe mich um die Überreste der glorreichen US-Armee zu kümmern, die gerade mal wieder von einem Einsatz zurückkommen.« Sie öffnete die Tür und brüllte über den Flur: »Sergeant. Wie viele?«
    »Vierzehn der übelsten Art. Fast Totalausfall, Leutnant Bloomberg«, kam es aus einer anderen Ecke der Baracke.
    Micky nickte stumm. Leerte das Reagenzglas und zerstampfte den Rest der Zigarette im Aschenbecher.
    »Habe ich mir doch gedacht, dass das schiefgeht. Neue Taktik der Congs. Unsere bekiffte Heeresleitung bekommt das alles nur noch im Delirium mit. Ein Kloster als Geisel. Darauf muss man erst mal kommen. Hau jetzt ab. In Baracke 102 ist deine Kammer. Frauen sind nicht erlaubt. Wir sehen uns um achtzehn Uhr im Offizierskasino. Da können die weißen Leutnants wieder

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