Saigon - Berlin Thriller
Leute werden in wenigen Monaten die Letzten sein, die noch von uns Amis samt Niggern übrig geblieben sind. Der Krieg ist für uns vorbei. Verstehst du?«
Ja, ich verstand. Der neue US-Präsident hatte sich für die Vietnamisierung entschieden. Danke, liebe Vietnamesen. Aber ihr werdet uns zu teuer. Seht jetzt selbst zu, wie ihr mit dem von uns verhassten Kommunismus klarkommt.
»Und, was mache ich jetzt ohne einen Ansprechpartner? Ich komme nicht von der Basis weg.«
Micky pulte sich die Essensreste aus den weißen Zähnen und zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung, Knackarsch. Ich werde erst einmal nach Bangkok verlegt. Ich habe meinen Job. Du hast deinen Job. Damit müssen wir uns abfinden.«
Sie überlegte einen Moment und legte ihre dicken Waden auch auf den Tisch.
»Gib mir einfach alles mit, was du hier rausbekommen willst. Filme, Berichte, Gedanken und Nachrichten an wen auch immer. Sonst gehst du hier kaputt, wenn die Vietnamesen das Kommando allein übernehmen.«
Ja, ich ahnte, dass ich hier vor die Hunde gehen würde, wenn ich es nicht schaffte, schnellstmöglich eine Kommunikationsebene auf der Basis der vietnamesischen Sprache aufzubauen. Die zwei Wochen mit Micky während meiner Genesung waren der reinste Erholungsurlaub gewesen. Der Kampfbetrieb war weitergegangen. Die Niggerin und die europäische Langnase hatten sich abends auf eine Bank gesetzt und geplaudert. So muss das Panoptikum vor Onkel Toms Hütte ausgesehen haben. Dem Wetter und den landenden Hubschraubern gelauscht. Dabei hatte ich ein Gehör entwickelt, dass ich schon im Anflug sagen konnte, welcher der Drehflügler glatt oder mit einem Crash, weil angeschossen, landen würde.
Die bösen Blicke und verbalen Seitenhiebe der Piloten im Kasino hatten wir uns nach und nach als abendlichen Spaß gegönnt. Wir hatten es geradezu als unsere Bühne erkoren. Nicht wir waren die Statisten. Es waren diese arroganten Schnösel, die glaubten, den Krieg gewinnen zu können. Aber welchen Krieg? Hubschrauber kaputt? Ein neuer stand sofort bereit. Pilot kaputt? Der war nicht so leicht zu beschaffen. Den Amerikanern gingen langsam die Piloten aus. Und meinem Verlag die Journalisten, wenn ich nicht bald eine Möglichkeit fand, hier rauszukommen.
Drei Tage später.
Micky Bloomberg war tatsächlich abgereist. Sie hatte sich in die adrett gebügelte Uniform eines Leutnants der US-Army gezwängt. Sie sah gut aus. Hatte mich noch einmal mit ihren körperlichen Fleischbergen gedrückt. Mein Säckchen, das all das enthielt, was an den Verlag und die Außenwelt sollte, eingesteckt. Dann war ich meinen letzten Ansprechpartner los. Nun war ich auf Onkel Toms Bank und im Kasino ein Einzelgänger.
»Hast du keine Familie?«, hatte Micky am Abend vor ihrer Abreise gefragt.
Ich hatte mit der blöden Gegenfrage geantwortet, ob sie denn eine hätte. Wir hatten gelacht. Nein, wir hatten beide keine.
»Hast du Freunde oder ein Zuhause, wonach du dich nicht manchmal sehnst?«
Unser Lachen war erstorben. Auch das hatten wir nicht. Meine Familie war weit weg. Ich hasste sie und die überhebliche Arroganz meines Vaters. Wenn ich ehrlich war, hatte ich wegen dieses Despoten mit jungen achtzehn Jahren sofort nach dem Abitur das verlassen, was man landläufig als Zuhause bezeichnete. Das war nun fast fünf Jahre her. Seither geisterte ich in der Welt umher und berichtete über Kriege, die nicht in den häuslichen Wänden stattfanden. Ich hatte nur die Bühne gewechselt. Die Rolle war mir geblieben. Und nun saß ich fest. Ein neues Engagement war nicht in Sicht. Gestrandet auf einer elenden Militärbasis. Jedes Kommunikationsmittels beraubt, wenn ich mich nicht schnellstens über die Wörterbücher hermachte. Übungsobjekte liefen inzwischen genug hier rum. Alles Schlitzaugen ... nein. Ich pfiff mich zurück. Sie waren Menschen. Nur ich verkam langsam zu einem verzweifelten Klumpen aus Fleisch und Blut, der hier völlig fehl am Platz war.
SIEBTES KAPITEL
B ERLIN -K ÖLN , 2. J ANUAR 1990
Unsere Flucht, und etwas anderes war es inzwischen nicht mehr, hatte ein Ende. Das Ende war ein Stau auf der Autobahn A2, kurz vor Dortmund. The-Maria wurde nervös. Schritttempo war angesagt.
»Pack endlich diese verdammten Waffen ein. Wir sind hier nicht im Krieg. Wir sind nur auf einer westdeutschen Autobahn«, knurrte ich wütend. Diese Amazone von waffenstarrender Tochter ging mir auf die Nerven. Irgendwo waberte eine Erfahrung in ihr, von der ich nichts wusste. Es
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