Saigon - Berlin Thriller
verschneiter Weg, über den in den letzten Stunden niemand mehr gegangen war. Eine alte Villa mit Fenstern mit leicht gebogenem Sturz. So als würde ein steinerner, grau verputzter Mensch die Augenbrauen anheben, sahen sie den Besucher an. Eine müde Laterne aus Schmiedeeisen über dem Eingang. Ein Messingschild. Villa Sans Soucis. Eine Klingel. Sonst nichts.
Ich drückte auf den kleinen Knopf. Eine Glocke im Inneren dingdongte. Schritte. Eine Klappe in der Tür öffnete sich. »Wer sind Sie?«
»Peter Stösser. Ich habe einen Termin hier.« Die Klappe wurde verriegelt. Ich wartete. Mir war kalt, obwohl es nur knapp um den Gefrierpunkt sein musste. Phong hatte die Klimaanlage im Wagen auf dreißig Grad gestellt. Er fror auch. Das fiel mir jetzt erst auf.
Die Tür öffnete sich. Fiel sofort hinter mir wieder ins Schloss. Grobe Hände tasteten mich ab. Blieben an einer Stelle haften. Tasteten erneut.
»Was ist das?«
»Nasenspray. Ich bin erkältet.«
Der Grobian nickte und steckte die kleine Sprühflasche an ihren Platz in meiner rechten Manteltasche zurück.
»Der Chef erwartet Sie. Im Keller. Kommen Sie.«
Wir durchquerten einen Raum, der wie ein plüschiger Kontaktraum für Nutten und deren Freier ausgestattet war. Rot. Grün. Sofas. Beistelltische mit Messingleuchtern. Dicke Teppiche, die jeden Schritt schluckten. Es roch nach kaltem Rauch, Alkohol und einer Mischung von abgestandenen Parfüms, deren Rezeptur sich kein noch so begnadeter Chemiker hätte ausdenken können. Das Ganze hier war ein Puff, keine Frage. Wahrscheinlich war ich bloß zu früh dran.
Der Grobian ging voran. Eine Treppe hinab. Einen Gang entlang. Mehrere Türen mit kleinen Clownsmasken aus Porzellan bezeichneten die Räume der Lustbarkeit. Keine schlechte Idee, befand ich. Besser als Nummern.
»Hier hinein.«
Mein Begleiter, wenn man ihn höflich als solchen bezeichnen wollte, öffnete eine Stahltür und schob mich in den Raum. Dann war Schluss. Das Schloss wurde hinter mir verriegelt. Der Raum war dunkel. Ich war eingesperrt. Im Reflex tasteten meine Hände am Türrahmen entlang. Jeder Raum hatte links oder rechts davon einen Lichtschalter. Dieser nicht. Nur Plüschbezug. Der Geruch war widerlich und brachte meine Suppe der Vergangenheit langsam zum Kochen. Schweiß gemischt mit allen Ausdünstungen, die ein Mensch haben konnte. Lust, Angst, Sucht und Blut. Es roch nach Gummi und Leder.
Ein Lachen klang aus mehreren Lautsprechern. Gleichzeitig sprang eine Batterie von Scheinwerfern an.
»Na ist doch schön, mal einen alten Kameraden wiederzusehen«, dröhnte es aus allen Ecken. »Muss man dich immer so lange bitten, bis du für einen guten Freund etwas tust?«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich meine Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten.
»Sieh dich ruhig um. Kommt nicht oft vor, dass ein Vater den Arbeitsplatz seiner Tochter inspiziert.« Ein böses Lachen folgte.
Es war eine Folterkammer. Ausgestattet mit allem, was sich Sadisten ausdenken konnten. Dies war der Sado-Maso-Keller eines Clubs.
»Wer bist du und was willst du?« Ich setzte mich auf eine Streckbank und zündete ein Zigarillo an. Bei dem Mief kam es auf den zusätzlichen Tabakqualm nicht mehr an.
Die Stimme am Mikrofon rauchte auch. Ich suchte nach der Kamera, mit der er mich beobachtete. Da war keine. Nur ein Spiegel.
»Warum versteckst du dich hinter einem Spiegel? Komm raus. Dann können wir reden.«
Ein heiseres Lachen folgte. »Warum sollte ich rauskommen? Du kennst mich doch. Brauchst nur auf meine Forderungen einzugehen, dann kannst du deine Wasserpuppenspielerin noch vor Dienstantritt mitnehmen. So einfach ist das.«
Diesen Ausdruck hatte ich nur einmal in meinem Leben gehört. Mit einem französischen Akzent. Und das war 1968 gewesen. An einem 26. Dezember in Saigon.
»La Troux? Bist du Gauner das?«
»Das wirst du nie rausfinden ...« Ein kurzer Hustenanfall folgte.
»Krieg ich hier auch was zu trinken?« Mir kam eine böse Ahnung, wer dahinterstecken konnte. Aber solange er sich nicht zu erkennen gab, gab es mehrere Möglichkeiten. Es waren zu viele gewesen, die von mir wussten. Damals ...
»Bediene dich. Im Hackklotz für die Enthauptungen ist ein Barfach. Deine Whiskeymarke dürfte dabei sein. Du nimmst ja kein Eis, soweit ich mich erinnere.«
Ich umrundete den Klotz. Da war keine Bar.
»Zieh einfach an dem Ring. Dann geht er auf.«
Er ging auf. Klappte einfach auseinander. Begleitet von einem schallenden Gelächter aus den
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