Saigon - Berlin Thriller
Ewald. »Peter bekommt den Hinweis, dass du im Kofferraum eingesperrt bist. Die mussten doch wissen, dass jemand auch dieses Zeug da findet. Was ist das überhaupt wert?«
Phong stützte seinen verbundenen Kopf in die Hände. »Wert? Wenn es absolut rein ist, um die einhunderttausend Mark. Westmark. Und bezwecken tun die genau das, was ein Europäer nicht begreifen kann. Wir haben es bei dem Sampan mit einem Asiaten zu tun. Nur die denken so. Sonst hätte ich meine Pistole nicht zurückbekommen.«
»Pistole?« Ewald schreckte aus seinen Gedanken hoch. Er wurde zum Polizisten. »Was haben vietnamesische Studenten in unserm Staat mit Pistolen zu tun? Und so jemanden habe ich mit meiner Tochter herumlaufen lassen?«
»Nun gib mal Ruhe. Deine Tochter lebt nicht mehr«, griff ich in den aufkommenden Zorn des alten Grenzers ein. »Meine vielleicht auch bald nicht mehr, wenn wir nicht eine Lösung finden.«
Ich verstand, was Phong meinte. Obwohl ich mir nicht sicher war, dass der Sampan ein Vietnamese war. Er musste einer von uns gewesen sein. Nur wer? Wir waren zwölf Reporter gewesen. Zwölf Ratten, die auf die Einsätze mit den Amerikanern lungerten, um Geld zu verdienen. Wir hatten uns selbst »the Rat Pack« genannt, frei nach Frank Sinatra und seinen Kumpanen. Das Rattenpack. Jeder hatte versucht, den lukrativeren Einsatz zu ergattern. Wer nicht zurückkam, für den wurde schnell von seiner Redaktion ein Ersatz geschickt. Unbedarft und ohne Kriegserfahrung. Hauptsache, es gab einen »Korrespondenten vor Ort«, wie man uns so überbewertend betitelte, wenn unsere Berichte via Fernsehen schön-schaurige Bilder in die Wohnzimmer der Welt flimmerten oder unsere Fotos auf den Titelseiten der Boulevardpresse prangten.
Und ich war einer von diesen »Greenhorns«, diesen Jünglingen, gewesen, der einen ausgebrannten Kollegen zu ersetzen hatte. Aber das war verdammt lange her. Oder auch nicht, wie es den Anschein hatte.
»Ich verstehe eure Andeutungen nicht«, grummelte Ewald. »Was hat das mit so einer teuren Ware da zu tun? Sollt ihr die weiterverkaufen? Die verschenken doch nicht mal so eben Opium für hunderttausend Mark?«
Phong stützte sich auf der Tischplatte hoch.
»Ich muss in fünf Stunden Gemüse einkaufen. Sonst schaffe ich meine Bestellungen heute nicht. Ich gehe schlafen. Lass dir das von dem Asienexperten erklären. Er weiß, was ich damit meine. Sonst glaubt mir ja niemand.«
Phong fiel einfach um.
»Da habe ich mir ja 'ne schöne Scheiße eingebrockt«, fluchte Ewald. »Los, hilf mir. Dann schläft er eben im Bett meiner Tochter. Da kennt er wenigstens den Geruch. Vielleicht hilft ihm das.«
Phong war leicht wie eine Feder. Der Hauptwachtmeister hatte ihn selbst zugedeckt und eine Weile betrachtet. Wie einen Sohn, den er nie gehabt hatte. Der junge Mann war sofort eingeschlafen. Ewald hatte eine Leselampe brennen lassen, das Deckenlicht ausgeschaltet und die Tür äußerst behutsam geschlossen.
»Und du schläfst heute auch hier. Im Bett deiner Tochter, und du wirst mir vorher erklären, warum ich so viel Rauschgift in der Küche habe und was das bedeuten soll. Haben die Asiaten sie nicht alle?«
Das war für Ewald, den ostdeutschen Beamten, ein paar Nummern zu groß. Es würde für jeden nichtkriminellen Europäer unverständlich bleiben.
Ich versuchte eine Erklärung. Sie versandete am Boden einer Flasche Korn und einer Zigarilloschachtel. Es war ihm mit jedem Schluck weniger klarzumachen, dass die asiatische Mafia anders dachte. Dieses Indiz eines Opiumbeutels, über das sich jeder Fahnder gefreut hätte, war nichts anderes, als die Aussage: Wir haben viel davon. Mit jedem Gramm, das wir dir schenken, wird die Freiheit deiner Tochter teurer. Also tu, was wir wollen. Du wirst reichlich dafür bezahlt. Wirf es weg oder verkaufe es. Wir haben deine Tochter.
»Puuh.« Ewald kratzte sich in seinen wenigen Haaren. »Dann habe ich mit euch beiden ja einen dicken Fehler gemacht. Jetzt habe ich zwei Hilfsmafiosi unter meinem Dach. Schöne Scheiße! Haben die sich fein ausgedacht.«
Die nächste Flasche wurde entkorkt.
»Naja, Personenkontrollen gibt's nicht mehr. Aber Fahrzeugkontrollen schon noch. Werde mir morgen - ach nee, ist ja schon heute - mal die Fahrzeuge an der Grenze näher ansehen und meine westdeutschen Kollegen informieren.« Er lachte wie über einen gelungenen Streich. Zündete sich noch ein Zigarillo an. Ich würde das bessere Geschäft machen, wenn ich diese Tabakrollen hierher
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