Saigon - Berlin Thriller
suchte sich irgendwo gurgelnd seine Wege. Den Rest erledigte die Sonne, die alles eindampfte.
»Auf wen wartest du hier?«
Brian nahm die Füße vom Stuhl. Die Touristen-Opium-Pfeife war ausgeraucht. Ich fühlte mich leicht beschwingt.
»Auf den Sampan. Das größte menschliche Schwein, das hier herumläuft. Aber niemand bringt ihn um, da ihn jeder braucht. Es ist doch immer der gleiche Mist. Du musst nur früh genug an einem Schauplatz sein, dann bist du der König.«
Der schwarze Riese bestellte noch zwei Kaffee. Das Lokal leerte sich langsam. Die Sonne brannte wieder.
Brian beobachtete den Platz. Kniff die Augenlider zusammen. Er war angespannt.
»Sollte ich etwas wissen?«, hakte ich ein. Irgendetwas stimmte hier nicht. Brian nickte nachdenklich.
»Vielleicht solltest du etwas wissen. Ist besser so ... für den Sampan bist du mein Sohn aus einer anderen Ehe. Einer Ehe mit einer Weißen.«
»Wie bitte?« Das war mir zu weit hergeholt. »Spinnst du jetzt komplett?« Ich wurde sauer. Brian war mindestens doppelt so alt wie ich. Aber ein Junge war ich längst nicht mehr.
»Da kommt er. Du hältst das Maul. Die fünfhundert Dollar für dich bezahle ich. Sonst hängen wir hier noch Wochen rum, um einen Einsatz zu bekommen. Die Militärs sind nach dem Auftauchen des Vietcong hier in der Stadt sehr nervös geworden. Bei denen liegen die Nerven blank. Das ist keine gute Zeit für unsere Berufsgruppe, um Geld zu verdienen.«
»Fünfhundert Dollar? Für was?«
Brian schüttelte unmerklich den Kopf.
»Davon lebt er. Unter anderem. Pro Einsatz fünfhundert Dollar. Ein mieses Geschäft. Aber was willst du machen? Sonst verdienen wir auch kein Geld. Wir sind eben seine Huren. Er der Zuhälter.«
»Warum muss ich zahlen, um mit achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit zu sterben? Ich denke nicht daran.« Das »Touristen-Opium« schien schnell seine Wirkung zu verlieren. Ich war sauer. Stinksauer.
»Bonjour, messieurs. Tut mir leid. Der Regen.«
Der Mensch, den Brian »Sampan« nannte, war mir nicht sympathisch. Er hatte ein widerliches, schwabbelndes Krötengesicht. Kurze, fette Finger. Einen Dreitagebart.
»Willkommen, Brian. Willst du dich auch noch auf deine alten Tage umbringen lassen?«
Die Pranken von Brian umschlossen die Hände des Mannes.
»Wir brauchen deine Hilfe. Was ist hier los?«
Der Mann, der offensichtlich die französische Sprache bevorzugte, überging Brians Frage, deutete auf mich.
»Wer ist der junge Mann? Den hast du mir nicht angekündigt.«
Der schwarze Koloss sah mich warnend an. Ich nickte. Es war besser so.
»Du weißt doch, dass mein Sohn gefallen ist. Dieser junge Mann ist mein Überbleibsel aus einer Verbindung in Haidelbörg. Er hat mich um Hilfe gebeten.«
Die Kröte studierte mich. Mir war nicht wohl. Dem Mann war nicht zu trauen. Seine Augen trieften. Seine ganze Ausstrahlung war negativ, aber herrisch.
»Sie sind Franzose?«, ging ich zum Angriff über.
Der Mann nickte. »Auch das. Und wer sind Sie?«
Mir war unwohl. Was sollte ich darauf antworten? Es war wie im Gymnasium, wenn der Lehrer mich strafend angesehen hatte, warum ich als Klassenprimus die Klassenarbeit in Deutsch über Hegel und Kant versaubeutelt hatte.
»Zweitausend Dollar. Sonst wird das nichts.«
Brian ballte die Fäuste.
»Warum das Doppelte? Das war nicht ausgemacht.«
Der französische Frosch lächelte nur hämisch.
»Weil ihr beiden lügt. Der junge Mann ist Peter Stösser. In Köln geboren. Er ist hier, um einen gewissen Klaus Schikowski abzulösen. Der Typ schuldet mir noch zweitausend Dollar. Daher. Und wenn ihr nicht zahlt, dann könnt ihr eure Einsätze vergessen. Weder die Amis noch die Generäle der südvietnamesischen Nationalarmee nehmen nach dem Schock der TET-Offensive der Vietcong freiwillig noch einen Journalisten mit.«
Der kleine Mann verschränkte die Hände über dem Bauch und lehnte sich zurück. Er wartete. Brian dachte nach. Ich versuchte möglichst wenig zu denken. Denn ich verstand die Regeln des Spiels nicht, das sich hier zu einem Kampf auszuweiten drohte.
Brian legte sein Gesicht in Falten. Er machte erst gar nicht den Versuch, mich für die Schulden meines Kollegen verantwortlich zu machen.
»Du bist doch mit deinem Kamerateam auf einer Spur. Nimm uns mit. Dann bekommst du zehntausend.«
Die Kröte wabbelte mit den Halslappen. Damit hatte er nicht gerechnet. Ich auch nicht, und ich schüttelte den Kopf. Es war mehr das aufsteigende Bewusstsein, was ein Kriegsreporter
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