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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe
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zu kopieren. Und darin liegt das Geheimnis.« Er lächelte verschmitzt.
    Kleiner Drache war mit der Überprüfung zufrieden und nickte.
    Der Vater zog einen der Rückendorne heraus. Das Gebilde zerfiel in zwei jetzt besser zu transportierende Teile. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das Ungetüm war hohl. Dadurch wurde sein vermeintliches Gewicht auf ein Minimum reduziert.
    Gnong Duc, der Mönch, sah mir zu, wie ich dieses Wunderwerk in Augenschein nahm. Es war aus zwei Hohlschalen eines Baumes gefertigt.
    Er nickte. »Ja, das ist schon eine einzigartige Kunst. Eigentlich gibt die der Vater nur an seinen ältesten Sohn weiter. Aber ...« Er hielt inne und half der Mutter, Körbe in den Peugeot zu tragen.
 
    Es war eng im Auto. Der Drache und die Körbe waren im Kofferraum. Der Vater fuhr. Kleiner Drache sortierte auf dem Beifahrersitz Fäden, die an Holzkreuzen befestigt waren. Jedes Balkenkreuz hatte ein Gelenk. Die Mutter, der Mönch und ich saßen hinten. Der Lärm ohne Auspuff war nervtötend. Dafür fuhr der Vater, als transportierte er rohe Eier. Er umrundete jedes Schlagloch. Ein Ochsenkarren konnte nicht langsamer sein.
    »Warum kommt der kleine Kamikaze nicht mit? Er ist doch der letzte Sohn. Warum übernimmt er nicht die Aufgabe der Schwester, die Familienehre zu verteidigen?«
    Der Mönch nickte nachdenklich. »Wie soll man das einem Ausländer erklären? Mein Neffe, den du kleiner Kamikaze nennst, ist ein Dickschädel. Er hat sich geweigert, beim Bau des Drachen zu helfen. Er will Soldat werden. Dass ihn die Vietcong abgelehnt haben, hat ihn verbittert.« Gnong Duc seufzte. »Ist nicht zu ändern. So sind die Jungen nun mal in diesem Alter. Aber zur Strafe muss er zu Hause bleiben und die Jungbüffel an den Pflug gewöhnen.«
    »Ist das nicht eine sehr harte Strafe?«, wagte ich einen Einwand. »Er wäre doch sicher stolz darauf, wenn seine große Schwester den Titel verteidigt. Oder?«
    Der Mönch schüttelte den Kopf. »Ich kann es dir nicht erklären. Es ist nun mal Tradition. Und wenn ihm noch seine Schwester vorgezogen wird, ist das die größte Strafe, die man einem jungen Mann antun kann.« Dann schwieg er.
    Kleiner Drache hatte die Schnüre sortiert, sie um den Innenspiegel geknüpft und mit den Führungshölzern des Drachen sorgsam verbunden. Sie zog die Beine an sich, schloss die Augen und spielte die Führungszeremonie im Geist durch. Es war schon eine Augenweide, das Spiel ihrer Hände ohne Drachen zu sehen.
    Sie schien das ganze Spiel im Wasser durchzugehen. Wie ein Rennfahrer die Rennstrecke mit jeder Faser seines Körpers durchging. Ihre Arme, ihr ganzer Körper waren in Ekstase versunken. Sie lebte mit und in dem Drachen. Sie war ein Drache, der im Wasser eine Geschichte zu erzählen wusste.
    Nur welche, das wollte mir niemand verraten.
    Die Straße wurde besser, die Bäume und Häuser dichter und gepflegter. Dafür wurden die Militärkontrollen dichter. An jeder Kreuzung wurden wir von Soldaten der südvietnamesischen Armee, die als Oberaufsicht einen amerikanischen Offizier im Hintergrund hatten, kontrolliert. Ausweise. Woher? Wohin und warum?
    »Dies ist eine große Militärbasis. Hierher haben sich die Vietcong bisher noch nie gewagt«, erklärte der Mönch. »Die Amerikaner haben hier ihre Schnellboote auf dem Mekong stationiert, die weit flussauf fahren. Ein großer Flugplatz mit Hubschraubern, Kampflugzeugen, Panzern und Tausenden von Soldaten. Hier herrscht fast noch Frieden.« Er schmunzelte und putzte seine hölzerne Bettelschale. »Hast du mal fünf Dollar in Münzen?«
    Also doch. Nun fing der andere Teil der Familie an, mich auch Geld zu kosten. Der Mönch war nur geschickter. Er fing klein an.
    »Wozu?«
    Gnong Duc lächelte milde. »Wie sieht eine leere Bettelschale aus? Dazu brauche ich ein paar Münzen als Köder. Ihr geht zum Drachenfest, und ich versuche von diesen vielen gelangweilten Soldaten Geld für unser Kloster zu erbetteln.« Er lächelte, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, für etwas mit einer kleinen Holzschale betteln zu gehen.
    Ich gab mich geschlagen und durchsuchte meine Taschen. Es kamen zwanzig Dollar in Münzen zusammen.
    »Das wird sich verzehnfachen«, meinte er lächelnd, bat seinen Bruder anzuhalten und stieg aus.
    »Wir sehen uns auf dem Markt«, sagte er, sich zurück in den Wagen beugend. »Ich bin sicher, dass Kleiner Drache gewinnen wird und die Ehre ihres Vaters verteidigt. Solch einen Drachen haben die anderen nicht.«

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