Saigon - Berlin Thriller
selbst.«
Die Eier waren nicht mehr im Kofferraum. Genauso fuhr der Vater von Kleiner Drache. Wie sein Sohn. Ein Kamikaze-Fahrer, der Schlaglöcher ignorierte. Wenn jetzt noch ein Auspuff am Wagen gewesen wäre, dann würde er spätestens nach zwanzig Kilometern wieder fehlen.
Der Mönch zählte seine Tageseinnahmen. Ich zählte mit. Zufrieden steckte er sie in den Jutesack. Er hatte aus meinem Kredit von zwanzig Dollar mehr als zweihundert gemacht. Wie er vorausgesagt hatte.
Der dürre Mann in seiner schmutzigen Kutte wurde mir unheimlich. Konnte er hellsehen? Gedanken lesen? Oder setzte er sich immer nur Ziele, von denen er wusste, dass er sie auf jeden Fall erreichen würde?
Ich sank seufzend auf dem durchgesessenen Rücksitz des Peugeot zusammen. Niemand sprach mit mir. Alle sahen unbeteiligt in die Landschaft, die immer gleichförmiger wurde. Felder. Nichts als Felder. Zerstörte Autos. Demolierte Waffen, die zu nichts mehr zu gebrauchen waren. Schrott. Überall nur Schrott.
Der Wagen bog auf den Damm ein, der zur Hütte und den Feldern führte. Der Mönch döste. Ich schlief fast. Das Schnattern der anderen riss mich aus dem beginnenden Tiefschlaf.
Etwas stimmte nicht. Gnong Duc richtete sich auf und schnatterte mit. Ich sah nichts. Das Haus stand noch. Es brannte nirgends.
»Was ist los?«
Der Peugeot hielt in einer Staubwolke vor der Hütte. Alle sprangen aus dem Wagen, bevor ich etwas sehen konnte. Die Mutter eilte in die Hütte. Die anderen drei liefen den Damm entlang. Der Staub setzte sich. Ich sah nichts, außer, dass der alte Wasserbüffel friedlich auf dem Damm äste. Die beiden Jungbüffel waren links und rechts an ihn gebunden. Wohin er ging, mussten sie folgen. So war es wohl auch gedacht, um zu lernen, vor dem Pflug zu gehen. Der Pflug ...
Die Mutter kam schreiend aus der Hütte. Rief den dreien etwas hinterher. Sie war aufgeregt. Wedelte mit einem Kasten. Hier stimmte wirklich etwas nicht. Ich lief hinter den anderen her.
Die Männer zerrten die Büffel wieder in das Wasser des Reisfeldes. Der Pflug war umgekippt. Die Zugseile zerschnitten. Kleiner Drache setzte sich in den Staub und schlang die Arme um die Knie.
»Es hat so kommen müssen«, murmelte sie. »Wenigstens hat er die Büffel freigemacht. Sonst wären sie im Wasser ersoffen, wenn sie sich hingelegt hätten.«
Ich verstand zwar ihre Worte. Aber nicht den Sinn. Ich hielt besser den Mund. Bei diesen Menschen wusste ich wirklich nicht mehr, wann ich etwas sagen und fragen konnte, ohne gleich wieder wegen meines schlechtes Karmas kritisiert zu werden.
Ich setzte mich zu ihr. Die beiden Männer knoteten den Pflug wieder an die Büffel. Die Arbeit duldete keinen Aufschub. Der Mönch stieg aus dem Feld. Der Schlamm hatte sein Mönchsgewand bis zu den Oberschenkeln von Orange in Braun verwandelt.
Gnong Duc atmete schwer. Setzte sich zu uns und beobachtete, wie der Vater mit den Tieren seine Bahnen zog.
»Das wird nichts mit dem Traum, einmal auf meiner Reise in einem Hotel baden zu können. Ich muss meinem Bruder helfen. Die Jungpflanzen müssen in den nächsten Stunden gesteckt werden. Noch vor Vollmond. Sonst wird das nichts.«
Mühsam stemmte er sich hoch und ging zum Haus.
»Was ist hier los? Kann ich helfen?«
Kleiner Drache sah ihrem Vater zu und schüttelte unmerklich den Kopf.
»Nein. Du kannst hier nicht helfen. Ich spreche noch mit Mutter. Dann fahren wir nach Saigon zurück.«
Die Kutte des Mönchs hing auf einer Leine. Der Schlamm musste trocknen. Dann fiel das Gröbste ab, bevor sie gewaschen werden konnte. Er selbst sah aus wie Millionen Reisbauern. Ein breitkrempiger Reisstrohhut, schwarze Hose, die ihm um die Beine schlotterte. Ein schwarzes Leinenhemd, das viel Bewegungsraum ließ. Barfuß.
Er saß auf der Bank und trank Tee. Kleiner Drache half der Mutter, das Auto auszuladen.
»Was ist los?« Ich setzte mich zu ihm.
»Eine Familientragödie. Aber nicht zu ändern. Der kleine Kamikaze ist weg. Und mit ihm die Pistole seines Vaters.«
Ich versuchte mir die Geschichte, so wie Kleiner Drache sie erzählt hatte, in Erinnerung zu rufen.
Demnach waren die älteren Brüder alle von Vietcong verschleppt und zum Dienst mit der Waffe gezwungen worden. Den kleinen Bruder hatten sie nicht mitgenommen, da er noch zu jung war.
»Die Vietcong?«, äußerte ich eine Vermutung und hoffte, nicht gleich wieder in ein Fettnäpfchen zu treten.
Der Mönch nickte. »Aber dieses Mal andersherum. Was die sich vorher
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