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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe
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mit Gewalt geholt haben, läuft ihnen jetzt selbst nach. Er will kein Bauer mehr sein, der wie ein Erwachsener arbeiten muss. Er sieht das Mannwerden nur darin, sich als Soldat der Befreiungsarmee anzuschließen. Dazu bringt er seine eigene Waffe mit.«
    Der Mönch schüttelte leicht den Kopf, schlürfte den heißen Tee und blinzelte in die Sonne.
    »Die Welt steht auf dem Kopf«, murmelte er. »Jetzt melden sich schon Kinder zu den Waffen. War das in deinem Land nicht auch schon mal so? 1945. Oder irre ich mich da?«
    Nein. Er irrte sich nicht. Trotzdem würde ich das nie verstehen. Aber das gab ich besser nicht zu.
    »Hör zu. Ich soll dir von der Mutter etwas ausrichten. Aber das darf Kleiner Drache niemals erfahren. Versprichst du mir das?«
    »Ich höre ...«
    Wie konnte ein solches Land und seine Menschen so kompliziert sein? Oder lag es an meinem europäischen Selbstverständnis? Gut. Wir hatten keine Zen-Mönche und auch keine Reisfelder. Krieg führten wir zurzeit auch nur auf den Papieren der Politiker. West gegen Ost. Hier aber war es Süd gegen Nord. Dies war doch nur ein Stellvertreterkrieg. Kapitalismus gegen Kommunismus. Ein Gefecht, das in Europa niemand mehr mit Waffen auszufechten wagen würde.
    »Nimm Kleiner Drache zu dir. Sie darf nicht mehr hierher zurückkommen. Es ist zu gefährlich für eine junge Frau. Die Vietcong würden nur noch sie als begehrenswertes Opfer vorfinden. Das bedeutet ihren Tod. Dann wäre die gesamte Familie ausgelöscht. Das darf nicht sein. Hier nimm das. Und dann verschwindet von hier.«
    Der Mönch drückte mir einen Zettel in die Hand. Ich konnte ihn nicht lesen. Er war in Vietnamesisch.
    »Das ist ein Klosterbruder in Saigon. Er kann euch nach buddhistischem Recht trauen. Dann ist Kleiner Drache ihres Lebens sicher.«
    Er legte die Handflächen aneinander. Verbeugte sich und klemmte sich einen Korb junger Reissetzlinge unter den Arm.
    »Können wir? Ich habe das restliche Benzin noch eingepackt. Was wir nicht brauchen, können wir gut in Saigon verkaufen.«
    Ich ließ den Zettel in der Hose verschwinden.
    »Ja. Ja natürlich. Muss ich mich nicht von deinen Eltern verabschieden?«, stotterte ich und versuchte die Worte des Mönchs zu verstehen. Heiraten? Nach buddhistischem Recht? Himmel! Ich war erst zweiundzwanzig Jahre alt. Was sollte das in zwanzig Jahren werden? Ich gedachte meine Freiheit noch ein paar Jahre zu genießen. Und unter meiner zukünftigen Frau stellte ich mir etwas anderes vor als eine Kurtisane, die mir mit dem Buschmesser das Bad freikämpfte. Wenn ich denn überhaupt eine Vorstellung von meiner familiären Zukunft hatte, dann diese garantiert nicht. Wie würde das aussehen, wenn sich Kleiner Drache in der Kölner Innenstadt den Weg wie im Dschungel bahnte?
 
    Ich fuhr. Kleiner Drache zeigte und erklärte mir, wo es langging.
    Drachenbrotbaum rechts ab. Umgestürzte Palme links. Am ausgebrannten Panzer wieder rechts. Hinter dem Reisfeld mit dem notgelandeten Hubschrauber halblinks.
    Fünf Stunden schwitzte ich und kurbelte am Lenkrad, bis wir das Hotel erreichten. Der Rücken und meine Wunde brannten. Ich hatte nur noch einen Wunsch, den mir Kleiner Drache ansah.
    »Geh du erst einmal in die Bar. Ich kümmere mich um das Bad. Das haben wir beide nötig.«
 
    Die Sonne ging unter. Die Lichter in der Bar an. Ein paar abgerissene Kollegen der internationalen Presse hackten auf Schreibmaschinen herum. Schlürften Bier, Whiskey und alles, was der Arzt verboten hatte.
    »Wie immer, Sir? Bourbon pur?« Der Barkeeper Thieu stellte mir die Flasche hin und malte weiter auf einer Schiefertafel, die er zwischen den Gläserregalen aufgehängt hatte.
    »Was wird das denn, wenn es fertig ist?«, knurrte ich. Ich schwitzte immer noch von der Fahrt nach, als hätte ich gerade mehrere Saunagänge hinter mir. Kunstvoll malte er den Rand der Tafel mit Blüten aus, zog die Blätter mit farbiger Kreide nach. Füllte sie mit einer anderen Farbe. Es sah wie ein Begrüßungskranz aus, den Ankömmlinge auf Hawaii von Hula-Mädchen um den Hals gehängt bekamen.
    »Das wird die Ahnentafel der Journalisten, die hier gewohnt haben«, meinte er grinsend und zeichnete weiter kleine Blüten. Jetzt auf der freien Fläche.
    »Aha. Ahnentafel. Du verewigst also die Journalisten, die du hier schon bewirtest hast?«
    Thieu schüttelte den Kopf. »Nein Sir. Nur die, die tot sind und hier noch eine Rechnung offen haben.«
    Er malte weiter und übertrug die Namen von einem Zettel auf

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