Saigon - Berlin Thriller
gewesen. Der Vater hatte sich geweigert, das Kreditlimit zu erhöhen, wenn nicht einer von uns »Saukerlen«, wie er uns in einem Telex bezeichnet hatte, seinen Arsch als Kriegsreporter in Bewegung setzen würde. In Nicaragua war Bürgerkrieg. Dort sammelten wir unsere ersten Erfahrungen. Ich mit dem wahren Leben. Mein Freund mit Drogen. Das war es dann für ihn, und ich war allein auf mich gestellt.
Nun war ich hier. In diesem verfluchten Land, das sich mir nicht öffnen wollte. Angewiesen auf die Streitkräfte der USA und der südvietnamesischen Nationalarmee. Wer hier wen bekämpfte und aus welchen Gründen, wurde immer schwerer zu durchschauen. Die Amerikaner schienen sich mehr und mehr auf den Luftraum zu konzentrieren. Die Drecksarbeit am Boden und im Dschungel überließen sie zunehmend den Südvietnamesen.
»Was ist daran kompliziert?«, nahm ich Brians Einwand auf.
Der stützte den Kopf zwischen seine Pranken. Nuckelte an dem Zigarillo, den er von einem Mundwinkel in den anderen schob. »Du gehörst der falschen Generation an. Es bleibt völlig egal, ob du mit deinen Fotos deine Unschuld beweist oder nicht. Dann heißt es eben, keine amerikanischen Militäreinsätze mehr mit Journalisten, die ihre internationale Macht dazu missbrauchen, die Ausrutscher einiger weniger GIs zu dokumentieren. Du wirst dich mit den vietnamesischen Truppen begnügen müssen. Daher kann ich dein Angebot nicht annehmen.«
Was war in der Welt da draußen los? Wir gingen unserem Job nach, die Welt über einen Krieg zu informieren, an dessen Sinn selbst ich langsam zweifelte. Und ich hatte noch nicht viel gesehen.
»Was soll das heißen, der falschen Generation?« Mir war das so laut entfahren, dass die Kollegen an der Bar aufhorchten. Der Barkeeper hatte Schikowski auf der Tafel wieder ausgewischt. Ihn aber wieder hingemalt, nachdem er gegangen war. Aber mit einem »SHI $ 650« verschlüsselt.
Brian ließ sich von den Kollegen nicht beeindrucken. Er fixierte die Traube von diskutierenden und saufenden Kollegen wie ein Bär, der angesichts seiner Kraft nur kurz einschätzte, wer und wie weit jemand in der Lage sein konnte, seine Ruhe zu stören. Seine Augen rollten kurz. Sie sagten alles, was er von meiner Generation hielt. Nicht viel. Er trank seinen Whiskey und rauchte meine Zigarillos.
»Die allzu freizügige Berichterstattung von euch Jungspunden hat in den Staaten eine Wirkung, die ernsthafte Folgen haben kann.« Meine nächstes Zigarillo war fällig, und Brian war dabei, eine ganze Flasche allein zu vernichten.
Der Barkeeper grinste und polierte Gläser. So, wie er es immer tat, wenn es etwas mitzuhören gab. Im Moment schienen wir beide ihn mehr zu interessieren, als die Gruppe am anderen Ende der Bar.
»Was für Folgen? Bewirkt unsere Berichterstattung etwas? Das würde mir meine Aufgabe sehr versüßen.«
Den letzten Satz hätte ich mir besser verkniffen. Brian grollte. Es hörte sich wie der Abgang einer Steinlawine an.
»Ja. Es bewirkt etwas. Aber nicht das, was du dir erhoffst. In den Staaten verbrennen die jungen Männer ihre Einberufungsbefehle. Notfalls sogar ihre Pässe. Die Studenten revoltieren gegen den Krieg hier. Es kommt zu Massenschlachten mit der Polizei.« Er schwieg. Aber er wartete auf eine Antwort von mir. Das sah ich seinen mahlenden Kaumuskeln an. Ich wäre an seiner Stelle aufgestanden und gegangen.
»Was willst du hören? Dass es mir leidtut? Nein. Tut es nicht. Besser eine Klopperei gegen einen unsinnigen Krieg mit der heimischen Polizei als Tausende von Toten in einem fremden Land. Wofür sterben denn eure Soldaten hier? Für eine blödsinnige Doktrin und eure panische Angst vor dem Kommunismus, mit dem wir schon seit 1945 leben müssen. Aber führen wir deswegen einen offenen Krieg mit den Russen? Und sag jetzt ja nicht, das würden wir, wenn wir dazu in der Lage wären. Sonst zerschlage ich dir hier eine volle Flasche auf deinem CIA-Schädel.«
Der Barkeeper polierte die Gläser doch lieber am anderen Ende der Bar. Hier wurde es ihm zu gefährlich.
Meine Kollegen rückten auf. Die betrunkene Meute witterte Streit.
Brian stand vom Barhocker auf. Besah sich den Haufen, der nur in der Menge stark war.
»Ich gehe besser, bevor es noch einen Krieg gibt. Tut mir leid für dich. Aber jetzt musst du sehen, wie du allein weiterkommst. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege wieder. Und ... denk dran, wann der Helm wohin gehört.« Er drehte sich noch einmal um. »Vertraue diesen Khmer nicht zu
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