Saigon - Berlin Thriller
die Tafel. Trug akribisch die offenen Beträge dahinter ein. Ich zählte sechsundsiebzig. Hinter einer Blüte kritzelte er: Schikowski, $ 650. Er war der Letzte auf der Tafel. Aber es blieb noch Platz frei.
»Den Scheiß wischt du mal schön wieder aus«, knurrte es hinter mir. »Wir sind doch hier nicht in einem Jagdgeschwader, das seine Abschüsse auf die Flugzeuge malt.«
Schikowski bediente sich an meiner Flasche. Er hatte die Schulter verbunden. Schüttete das erste Glas Whiskey in sich hinein und schenkte sich nach.
»Wird Zeit, dass ich hier wegkomme. In zwei Tagen geht mein, nein, unser Flugzeug. Erst nach Bangkok. Dann nach Hause.«
Eine schwarze Pranke legte sich auf meine Schulter. Brian Eppstein nickte nur und grinste. Stieg auf den Hocker zu meiner Linken. Bediente sich auch aus meiner Flasche. »Cheers. Auf deinen Ausflug ins Mekong-Delta ... hast ja einigen Ärger hinterlassen.«
»Ärger? Welchen Ärger? Ich war bei der Familie von Kleiner Drache.«
Brian wackelte mit dem Kopf. »Da liegen mir aber andere Aussagen von fünf GIs von der Chau Doc Base vor.«
Die fünf betrunkenen Typen, die dem Mönch die Bettelschale mit der Bierdose aus der Hand getreten hatten, um sich nachher mit der Schlangensuppe von mir fotografieren zu lassen.
»Und. Was behaupten sie?«
»Dass du sie betrunken gemacht und beim Poker um ihren ganzen Monatssold von mehr als tausend Dollar betrogen hättest.«
»Das ist gelogen. Und außerdem kannten die meinen Namen doch nicht«, protestierte ich. Brian schob das Kinn vor.
»Nein, den kannten sie nicht. Aber dass du Journalist bei der Washington Post und weiß bist, das wussten sie wohl. Damit hast du uns keinen Gefallen getan.«
Schikowski lachte laut. »Das ist doch immer die gleiche Scheiße mit euch verfluchten Amis. Die Brüder waren betrunken und hatten Disziplinarmaßnahmen zu befürchten, als sie in ihre Bunker zurücktorkelten. Vermutlich noch über die Sperrzeit hinaus. Da muss eben mal wieder einer von uns herhalten. Ihr Scheiß-Okkupatoren und diese Vietcong, ihr seid euch so ähnlich, dass ihr am besten unter eine Bettdecke kriecht. Leckt mich doch alle! Ich gehe jetzt baden und zu meiner Chinesin.«
Schikowski torkelte aus der Bar. Die Kollegen sahen nur kurz von ihren Schreibmaschinen auf und hackten weiter auf den Tasten herum.
»Was soll der Schwachsinn?«, grunzte ich Brian an. »Macht ihr das immer so, wenn ihr verloren habt, dass ein Schuldiger gesucht wird, der für euren Mist geradesteht?«
Brian kaute auf seiner wulstigen Unterlippe herum. Wir tranken. Ich rauchte. Wir schwiegen. Unsere Blicke trafen sich nur im Barspiegel hinter den Gläsern.
Das Klappern der Schreibmaschinen ließ langsam nach. Die Kollegen sammelten sich an der Bar und ersetzten den mechanischen Geräuschpegel durch Gemurmel und gelegentliches Lachen. Aber Letzteres erklang selten.
»Das Problem ist«, setzte Brian an, »dass die Washington Post vorläufig auf Anweisung der Armeeführung von allen Einsätzen ausgeschlossen ist.«
»Na, und?«, murrte ich zurück. »Erstens habe ich hier die Filme, die beweisen, dass es anders war. Und zweitens arbeitest du doch für den Staat. Du kannst doch als CIA-Mitarbeiter überall hin. Du suchst doch Maulwürfe in unseren Reihen. Wo ist da das Problem? Die Berichte kauft ihr eben mal über Associated Press dazu.«
Brian schüttelte den Kopf und nahm ein Zigarillo von mir.
»Die Washington Post ist meine Tarnung. Das geht so nicht. Ich muss als Journalist akkreditiert bleiben.«
Langsam verstand ich das Zusammenspiel zwischen eigentlichem Auftrag, Tarnung und dem Willen, seinen Sohn wiederzufinden. Ein Wutschwall stieg in mir hoch.
»Dann arbeitest du eben für meinen Auftraggeber. Basta.«
Warum musste das hier alles so kompliziert sein? Ich junger Mann schien wesentlich flexibler in manchen Lebenslagen zu sein als dieser erfahrene schwarze Riese. Oder war es meine Unbedarftheit, dich mich so vorpreschen ließ?
Egal. Mein Angebot stand.
»Wenn das so einfach wäre«, sagte Brian grübelnd. »Wie lange bist du schon aus Europa weg?«
Ich überlegte und rechnete zurück. Es mussten über zwei Jahre sein, die ich nach dem Abitur und einer zweijährigen Ausbildung als Journalist auf eigene Faust in die Welt hinausgezogen war. Der Sohn des Verlegers, für den ich nun arbeitete, war die treibende Kraft gewesen. Er hatte den Kreditbrief seines Vaters für uns weidlich ausgenutzt. In Rio de Janeiro war dann Schluss mit lustig
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