Saigon - Berlin Thriller
Schreibtisch aus machen. Ich kann was zusammenklauben und es als meins verkaufen. Aber du? Du kannst schlecht die Fotos anderer für deine ausgeben.«
Nein. Das konnte ich nicht. Und die Telexe vom Verlag setzten mich unter Druck, etwas Brauchbares zu liefern. Der Chefredakteur hatte mir unverhohlen gedroht, mich angesichts der Vorschüsse von nunmehr zwanzigtausend Dollar fristlos zu feuern, wenn ich die nächsten zwei Wochen nicht geeignetes Bildmaterial lieferte.
»Verstehe«, meinte Ali nickend. »Deine Hoffnung, Brian Eppstein, kann dich in seiner Eigenschaft als Sonderbeauftragter des US-Regierung nicht mehr unterstützen.«
»Woher weißt du das?«
Ali wiegte den Kopf. »Woher ich das weiß? Ich wäre ein schlechter Journalist, wenn mir das nicht aufgefallen wäre. Du ziehst in das Zimmer seines Sohnes Mike, das vom Foreign Office bezahlt wird. Und der ist seit Wochen verschwunden. Ein Vater, ein sehr hohes Tier, sucht seinen Sohn und versucht gleichzeitig herauszufinden, wer die Einsätze der Nationalarmee an die Vietcong verrät. Die Bodentruppen der ARVN laufen regelmäßig in vorher gelegte Fallen und werden darin aufgerieben. Die Vietcong-Soldaten brennen ein Dorf nieder und warten, bis die Amis oder die Südvietnamesen eingreifen. Dann schlagen sie kurz und erbarmungslos zu und verschwinden wieder. Sie nehmen noch nicht einmal ihre Verletzten mit. Die töten sie an Ort und Stelle, damit sie nichts sagen können. Kenne ich noch aus Algerien. Da wurden die, die ihre verwundeten Kameraden bergen wollten, auch abgeschossen. Wir mussten sie dann liegen lassen, um nicht selbst in Gefahr zu geraten. Sie haben die ganze Nacht geschrien. Wir konnten ihnen nicht mehr helfen. Wir mussten sie aus der Deckung erschießen. Unsere eigenen Kameraden. Ein furchtbarer Tod ... für uns, die das tun mussten.«
»Wenn ihr mit euren Kriegsspielen mal fertig seid, könnte mir dann vielleicht mal einer der Messieurs bei meinem Kampf helfen, die Wäsche über die Leine zu bekommen?«
Kleiner Drache hatte sich, ohne dass wir es bemerkt hatten, mit einem viel zu großen Korb Wäsche auf das Dach geschlichen und kämpfte mit den nassen, schweren Armeeklamotten und einer Leine, die für sie viel zu hoch angebracht war.
Mit »merci bien« bedankte sie sich für meine Hilfe, die Wäsche auf die Leine zu hängen und mit geschlitzten Bambusrohrklammern zu befestigen.
»In einer Stunde gibt es Essen. Im L'Etoile. Kommt mir ja keiner von euch betrunken dorthin.« Dann war sie weg. Die Wäsche bewegte sich leicht im Abendwind.
Ali grinste. »Da hast du dir was angelacht. Die übernimmt noch die ganzen Weiber hier und macht eine eigenen Truppe auf.« Er schwieg einen Moment, als kämpfte er mit etwas. Seine Kiefer mahlten. Sein Lippen formten Worte. Sprachen sie aber nicht aus.
»Was heißt hier angelacht? Sie ist eben wegen ihrer Größe äußerst wehrhaft«, versuchte ich eine Verteidigung.
»Ja, eben«, murmelte Ali. »Man sagt, dass der von Zimmer 125 von ihr in die Luft gesprengt wurde. Der war dein Vorgänger bei ihr. Aber bewiesen ist das nicht«, fügte er gleich hinzu, als täte es ihm leid, das überhaupt erwähnt zu haben.
»Wer verrät die militärischen Bewegungen der Truppen hier?«, lenkte ich von einem Thema ab, das mir nicht geheuer war.
Ali zuckte mit den Schultern. »Ein Militär kann es nicht sein. Er würde sich selbst in Gefahr bringen. Außerdem kann die Gegenseite nichts zahlen. Es muss ein Reporter sein. Denn wenige Tage später tauchen in der internationalen Presse Fotos von diesen Gemetzeln auf, an denen aber offiziell kein Kriegsberichterstatter beteiligt war. Zumindest keiner, der nicht zur Armee gehört. Und die scheinen sie alle schon auf den Kopf gestellt zu haben. Es muss jemand von außen sein. Das macht die sehr nervös und erschwert uns unsere Arbeit ungemein.«
Die Bomber flogen einen neuen Angriff. Nun war die Sonne untergegangen. Die explodierenden Bomben hatten den Nachthimmel für sich.
Wir folgten dem Befehl von Kleiner Drache. Essen in einer Stunde. Durchquerten die Hotelhalle. Die Kollegen waren bester Stimmung. Es war Komasaufen angesagt.
»Komm.« Ali zog mich hinaus. »Wenn du denen in ihrem Zustand in die Finger fällst, machen sie dich fertig.«
Wir überquerten den Platz mit dem Springbrunnen.
»Warum sollten die mich fertig machen? Nur weil ich meinen Einstand noch nicht gegeben habe?«
Ali schüttelte den Kopf. »Nein, weil die Chinesin mit dem abgehackten Finger
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