Saigon - Berlin Thriller
ist voll. Wir saufen auf Colonel Eppstein. Trinkst du mit? Er hat uns eingeladen. Du als Offizier musst nur abzeichnen. Sonst macht sich unser Jack wirklich noch in die Hosen. Und ich muss es nur wieder bestätigen. Und ihn für den nächsten Einsatz krankmelden. Dieser alte Drückeberger!«
Der Schokoladenpudding bebte vor Lachen. Es war ansteckend. Selbst Jack wieherte hinter seinem Tresen.
»Find ich gar nicht lustig«, murrte Leutnant Oliver, zündete sich eines meiner Zigarillos an und nahm einen großen Schluck gleich aus der Flasche.
»Oh, oh, das sieht aber nicht gut aus«, murmelte Micky und verdrehte die Augen zum Himmel. »Wie viele?« Sie zündete sich auch ein Zigarillo an und ersparte sich den Umweg über ein Glas, um an den Whiskey zu kommen.
»3. Kompanie. I. Zug. Du hast die Materialanforderungen auf deinem Tisch. Sieh zu, dass sie vorschriftsmäßig ausgestattet werden. Und nun geh. Du hast hier nichts zu suchen.«
»Zu Befehl, Sir.« Micky deutete lässig eine Ehrenbezeugung an. Machte aber keine Anstalten, sich zu erheben. »Also Sonderkommando? Ohne Sanitäter?«
»Ja, verdammt, warum fragst du das? Mach endlich. Drei Uhr ist Abflug.«
Micky erhob sich kopfschüttelnd. »Ihr müsst doch alle spinnen. Von der Dritten sind nur noch die Hälfte übrig, und der Rest hat einen Dachschaden. Und mit denen wollt ihr auf einen Sondereinsatz?«
»Sergeant Major, das ist ein Befehl! Ich weiß um den Zustand der Kompanie. Wer fehlt, wird ersetzt. Und bringen Sie mir den Scout auf Vordermann. Der muss mit. Abtreten.«
Micky zwängte sich aus dem Stuhl und nahm leidlich Haltung an. Ihr war anzusehen, dass hier die Befehlsgewalt ihre Meinung brach.
»Und Micky«, rief ihr der Leutnant hinterher, »haben Sie noch einen Schlafplatz für diesen Journalisten?«
Micky nickte. »Ja, es sind noch ein paar Särge frei. Soll sich bei mir melden. Er weiß ja, wo ich zu finden bin.«
Oliver lehnte sich zurück und rieb sich die Nasenwurzel. Er sah alt aus. Ich schwieg besser und bestellte noch eine Flasche auf Eppsteins Kosten.
»Hör zu«, Oliver beugte sich über den Tisch, »du darfst eigentlich nicht mit. Journalisten sind bei dem Einsatz nicht erwünscht.«
»Aber?« Hier standen ein Aber und ein Entweder-Oder im Raum.
Oliver atmete tief durch. Putzte sich die Nase.
»Das ›Aber‹ ist, dass dieser Sharif darauf besteht, dass er einen unabhängigen Fotografen dabeihaben will.«
Sollte ich jetzt darüber jubeln? Ich hatte meinen Einsatz. Und wie es schien noch einen, bei dem ich die Konkurrenzpresse nicht ausstechen musste. Einen Sonderbericht der Extraklasse. Das würde mein Durchbruch im Geschäft sein.
»Ich bin nicht glücklich darüber. Du bist mir zu sympathisch, um gleich dabei draufzugehen«, fuhr Oliver fort.
»Meine Staffel bringt euch über die Grenze. Dann habt ihr etwa fünfundzwanzig Kilometer unwegsames Gebiet vor euch, durch das ihr euch kämpfen müsst, um an den Ort zu kommen, an dem wir Colonel Eppstein und La Troux vermuten. Das Überraschungsmoment ist auf eurer Seite. Statistisch gesehen gehen bis dahin zehn Prozent der Leute drauf. Aber dann müsst ihr euch den gleichen Weg zurückkämpfen. Und dann kommt in aller Regel nur noch die Hälfte des Restes durch. Wir können euch nicht helfen. Kambodscha ist nicht im Krieg mit Vietnam. Ihr müsst euch auf jeden Fall allein bis zu den Hubschraubern zurück durchschlagen.«
Schweigen. Das Gewitter kam näher. Die Ventilatoren surrten. Die Messe füllte sich mit Piloten. Die Hitze wurde unerträglich. Jack war voll beschäftigt.
»Wenn du meine Meinung hören willst ... lass es. Du bist zu unerfahren. Und von den GIs wird sich keiner um dich kümmern, wenn du dir nur den Fuß vertrittst. Das sind alles Soldaten, die eigentlich hier ihre Gefängnisstrafe abarbeiten. Von denen hast du nicht das Geringste zu erwarten. Die haben einen Befehl. Mehr nicht. Sie sind allesamt Killer und Mörder. Und du kommst in ihrem Sozialkatalog nicht vor.«
Das waren harte Worte, die ich mir so noch nicht überlegt hatte. Mörder in Sondereinsätzen. Was hatten diese Männer zu verlieren? Nichts. Sie konnten nur gewinnen. Ihre Rehabilitation, eine erlassene Strafe und ein Leben, um in Freiheit zu sterben. Jemand würde ihre Namen sicher in eine Gedenktafel für Volk und Vaterland auf irgendeinem Friedhof meißeln. Dann waren sie makellos und ohne Vergangenheit. Der Passierschein zur Hölle in Stein.
»Wer ist dieser Sharif, der auf meine
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