Saigon - Berlin Thriller
einem ausgemachten Treffpunkt wieder an Bord nehmen sollte.«
Dann schwieg er.
Das Gewitter kam näher. Es donnerte anders als Bomben und Raketen, die irgendwo einschlugen. Es war ein menschlicheres Donnern.
»Ja und?«, drang ich auf eine Erklärung.
»Nichts ja und. Wir haben den Treffpunkt alle acht Stunden angeflogen. Dabei habe ich eine Maschine verloren. Hier geht man inzwischen davon aus, dass die Leute den Charlies in die Hände gefallen sind. Und ...«
Ein Soldat unterbrach ihn. Salutierte kurz. »Leutnant, zur Lage bitte.«
Oliver trat das Zigarillo aus und nickte. »Ich komme.« Und zu mir: »Es geht los. Das Oberkommando lässt sich nicht mal einfach einen CIA-Agenten stehlen. Da werden die komisch. Das kann morgen ein lustiger Tag werden. Hab's geahnt. Geh du in die Offiziersmesse. Wir treffen uns dort. Dann zeige ich dir, wo du schlafen kannst. Vielleicht kann ich deine schwarze Schwester begeistern. Dann kümmert die sich um deinen Heilungsprozess.«
Er lächelte. Aber es war ein aufgesetztes Lächeln. Er war mit seinen Gedanken woanders. Hatte mich nur abgelenkt, damit ich bei dem Gespräch von Ali Ben Ali el Sharif und den anwesenden Einsatzleitern nicht dabei war. Colonel Sharif. Wie sich das anhörte. Wie ein Kamel im Generalsrang. Hatte er mich nur wegen des fahrbaren Untersatzes mitgenommen und ließ mich hier schmoren, bis er seine Story für seine Zeitung zusammenhatte? Oder war er auch, wie Brian, hinter etwas anderem her?
Mir war nicht nach guter Laune. Das Gewitter kam näher. Die Moskitos wurden aggressiver. Die Soldaten schoben die Hubschrauber in die Wellblechhangars, die wie halb eingegrabene Öltonnen aussahen.
Ich durchstreifte die Barackenreihen auf der Suche nach der Offiziersmesse. Es waren primitive Holzbauten, die sich im Schatten von Bäumen duckten. Es waren keine Palmen, wie man sie sich gewöhnlich vorstellte. Solche Palmen hatte ich bisher nicht gesehen. Es waren Laubbäume. Sie hatten die Eigenschaft, ein Blatt erst abzuwerfen, wenn ein entsprechendes nachgewachsen war. Daher waren sie immer grün. Das Leben bestimmte, wann der Tod eintrat. Ein nahtloser Übergang. Irgendetwas stimmte in der menschlichen Evolution nicht. Wir verwelkten und schieden aus. Der Platz blieb dann meistens leer. Dafür sorgten schon die Kriege, die die grünen Blätter schneller schluckten, als sie nachwachsen konnten.
»Ich sollte ein Baum werden«, murmelte ich und stieß mit etwas sehr Weichem zusammen.
»Hoppla«, grinste mich ein schwarzes Gesicht an. »Mein weißer Arsch ... dass ich das noch einmal erlebe. Komm. Du hast jetzt die Wahl, dass ich mir deine Stelle noch einmal ansehe, danach gehen wir einen trinken. Ich habe nämlich frei. Oder magst du es andersherum? Mir wäre nach beidem zugleich.«
Eine Antwort war nicht möglich. Meine schwarze Schwester war in Ausgehuniform. Die Abzeichen wiesen sie als Sergeant aus. Eine seltene Kombination. Ein weiblicher Unteroffizier und dazu noch farbig.
»Komm, Junge. Was stehst du hier noch herum? Du suchst bestimmt die Offiziersmesse. Da darf ich nicht mit rein. Aber mit dir schon. Würde mich interessieren, ob das auch so ein Saustall wie in unserer Messe ist. Man hört da so viel über wilde Orgien. Wow, da möchte ich auch mal dabei sein. Aber ...«, sie schob die Lippen vor und verdrehte die braunen Augen, »ich denke, dass dafür mein Arsch nicht weiß genug ist. Die nehmen sich lieber die Miezen aus dem Stab.«
Die Frau gefiel mir. Sie war umwerfend. Ein wenig korpulent, nicht unbedingt als weibliche Schönheit zu bezeichnen, aber menschlich.
»Jack, nun mach schon. Ich möchte eine Cola und mein weißer Freund hier ... was trinkst du?«
Der Barkeeper, ein schwarzer Sergeant, schüttelte den Kopf. Wir waren allein in dem, was Kasino genannt wurde. Einige Fotos und sonstige Trophäen an den Wänden. Billiardtische mit zerschlissenem Filz. Dartboards. Girlanden, Papierrüschen, Kerzen. Es war der Tag vor Silvester.
»Du weißt genau, dass das nicht geht«, sagte der Kellner und beugte sich über die Theke. »Ich darf hier Unteroffizieren nichts ausschenken. Ich bekomme den größten Ärger.«
»Dann geben Sie mir einen Bourbon ohne Eis und Wasser und eine Cola. Ist das so schwer zu verstehen?« Nun wurde ich ungemütlich. Diese verdammte Hierarchie des Militärs war mir schon immer zuwider gewesen. Ich war vor dem Wehrdienst in Deutschland nach Berlin verschwunden. Und wo war ich nun? Im Krieg. Mein Schicksal meinte es
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