Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
Namensgedächtnis, und ich habe den Anrufer hier in der Schule überhaupt nicht mit dem Ermordeten in Verbindung gebracht. Außerdem hatte ich ihn ja auch nicht gesehen, nur mit ihm gesprochen. Jedenfalls stimmt es, dass er bei mir angerufen und wegen eines Surfkurses angefragt hat. Am – ich glaube, es war am Montag.«
Zu schnell, dachte Eva, zu viele Details. Der Mann ist nervös. Das waren natürlich die meisten Menschen, wenn sie mit der Polizei zu tun bekamen. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass ihr Instinkt sie nicht getrogen hatte. »War das alles?«, fragte sie. »Sonst hat er nichts gesagt oder gefragt?«
Der Surflehrer zögerte einen Augenblick zu lang, und Eva nutzte ihren Vorteil unerbittlich aus: »Was war es?«
Er wich ihrem Blick aus, antwortete aber dennoch. »Er hat gesagt, dass er Reporter sei, und sich erkundigt, ob ich die Nummer von Margarete Hofmann wüsste. Sie steht nicht im Telefonbuch«, fügte er erklärend hinzu.
»Und wie kam er darauf, Sie zu fragen?«
»Er hatte wohl ihre Adresse, wollte aber gerne erst mal telefonisch mit ihr reden. Ich konnte ihm die Nummer natürlich nicht geben, aber ich habe mir seine aufgeschrieben und gesagt, ich würde sie Frau Hofmann geben, und sie könnte ihn dann anrufen, wenn sie wolle.«
»Hat er gesagt, was er von Ihrer Nachbarin wollte?«, mischte sich Rainer ins Gespräch.
Kahlert runzelte die Stirn, als könne er sich nicht mehr genau besinnen, aber dann sagte er zögernd: »Er erwähnte die Flucht vor den Russen ’45. Er wollte Zeitzeugen befragen, sagte er, welche, die noch nicht im Fernsehen oder bei Guido Knopp waren und hier in der Gegend lebten.«
Das Gespräch begann Eva zu nerven. Sie hatte das Gefühl, nahe am Kern der Sache zu sein, aber nicht an die Wahrheit heranzukommen. Wenn dieser Mann etwas verbarg, dann machte er es gut. Der Gedanke ließ sie die Höflichkeit in den Wind schlagen. »Warum haben Sie mir das nicht schon am Donnerstag erzählt? Ich kann mir vorstellen, dass man ein Gespräch mit einem potenziellen Surfschüler vergisst, aber doch nicht so eine Anfrage.«
»Tut mir leid«, entgegnete Kahlert gelassen. »Aber es ist mir tatsächlich erst später wieder eingefallen. Ich hatte ein paar unruhige Tage mit der Schule hier, und meine Frau war krank …«
»War Ihre Frau am Dienstagabend zu Hause?«, hakte Eva sofort nach.
»Natürlich, es ging ihr ja da schon nicht gut.«
»Und Sie – waren Sie an dem Tag bei Frau Hofmann in der Wohnung?«
Die leichten Stirnfalten über den ruhigen braunen Augen wurden jetzt tiefer: »Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt. Ich habe abends bei ihr geklingelt, wie üblich, nur um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Das war so um halb acht vielleicht.«
»Und danach?«
Kahlert konnte seinen Ärger jetzt nicht mehr zurückhalten: »Hören Sie, ich kannte den Mann überhaupt nicht. Ich begreife wirklich nicht, was Sie von mir wollen.«
»Na schön, vielleicht sagen Sie mir, wo Sie gestern Morgen waren«, sagte Eva ungerührt.
»Ges... gestern?« Er klang völlig verblüfft. »Gestern wann morgens?«
»Den ganzen Morgen«, meinte sie freundlich.
»Ich – ich bin so wie immer um halb acht hier rausgefahren.«
»Sie öffnen erst um neun, oder?« Rainers Stimme klang ruhig und professionell und verriet nicht, was er dachte. Eva fragte sich flüchtig, ob das bedeutete, dass er sich von dieser Befragung distanzieren wollte, oder, dass sie ihn mit ihrem Misstrauen gegen den Mann überzeugt hatte. Kahlert hob missgestimmt die Schultern. »Ich bin meistens früh hier. Manchmal zum Angeln. Manchmal, um Papierkram zu erledigen.«
»Kann das irgendjemand bestätigen? Für gestern, meine ich?«
»Was hat gestern mit irgendwas zu tun?«, grummelte Kahlert, dann hob er die Stimme: »Werner!«, und als der junge Mann von vorher eintrat, fragte er: »Wann warst du gestern Morgen hier?«
Die Brauen des Angesprochenen zogen sich überrascht in die Höhe, er blickte fragend von seinem Chef zu den beiden Polizisten; sein Blick blieb einen Moment lang an Rainer haften, der noch am wenigsten Feindseligkeit ausstrahlte. »Um halb acht«, antwortete er, und auch in seinem Ton schwang Verwunderung mit.
»Und Herr Kahlert war schon hier?«, wollte Rainer wissen. Werner schüttelte den Kopf. »Wir sind ungefähr gleichzeitig angekommen. Ich bin – ich habe meine Joggingrunden gedreht, bevor wir den Laden aufgemacht haben«, entgegnete er immer noch ein wenig erstaunt. »Ist sonst – kann ich sonst
Weitere Kostenlose Bücher