Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
dass sie deswegen überhaupt nicht mehr mit mir reden wollte …«
Der Regen war etwas schwächer geworden und mit dem Geräusch des Windes zu einem leisen, monotonen Rauschen im Hintergrund verschmolzen. Eva hatte das Licht im Büro eingeschaltet, weil es draußen trotz der Nachmittagsstunde so düster war.
»Aber es war nicht der Schmuck«, fuhr Weiher fort, und seiner Stimme war die Verletztheit anzuhören. »Wie konnte sie so einen Verdacht haben und nicht einmal ein Wort sagen?«
Eva dachte sich, dass es eher ungewöhnlich von Elisabeth Baarer-Weiher gewesen wäre, ihrem Vater mal eben so nebenher mitzuteilen, dass sie ihn verdächtigte, ihren Großvater umgebracht zu haben, sagte aber nichts.
»Meine eigene Tochter«, murmelte er kopfschüttelnd. »Und diesen Kronauer um Hilfe zu bitten – mit einem Fremden über ihr Misstrauen zu sprechen …« Das alte Gesicht nahm einen verschlossenen und bösen Ausdruck an, doch dann schüttelte Weiher wieder trübsinnig den Kopf. »Arme Elisabeth. Sie muss völlig verunsichert gewesen sein.«
»Vielleicht erzählen Sie uns von dem Tag, an dem Ihr Vater gestorben ist. Sie sagten damals der Polizei, dass es ein Unfall war …«
»Ich habe immer geglaubt, dass es ein Unfall war«, antwortete Weiher. »Die Gespräche mit der Polizei damals – das war nicht schön, aber ich habe es mit der Zeit beinahe vergessen. Der Fall war abgeschlossen und zu den Akten gelegt … All diese Jahre … Ich habe nie ernsthaft gedacht, es könnte etwas anderes als ein Unfall gewesen sein.«
Eva registrierte die Einschränkung – »nie ernsthaft gedacht …« – und hakte nach: »Also hatten Sie einen Verdacht? Oder Sie haben jetzt einen?«
»Das muss ich doch«, entgegnete er heftig. »Wenn es wahr ist, dass Kronauer wegen seiner Nachforschungen über diesen angeblichen Unfall getötet wurde …«
»Sie wurden damals von der Polizei gefragt, ob Sie jemanden wüssten, der eventuell einen Groll gegen Ihren Vater hegen könnte«, konstatierte Friedolin, der die Unterlagen des damaligen Protokolls in der Hand hielt. »Sie sagten damals, so weit Sie wüssten, hätte Ihr Vater keine Feinde gehabt.«
Weiher zuckte mit den Schultern. »Ein Arzt hat immer Feinde«, antwortete er. »Aber einen Mord zu begehen …« Er schüttelte mit einer seltsamen Miene den Kopf, weniger, so schien es, als Verneinung, sondern wie um einen äußerst unbehaglichen Gedanken abzuschütteln.
»Herr Weiher, bitte sagen Sie uns, was Sie denken«, drängte Eva ihn.
»Da war das Mädchen«, murmelte der alte Mann nach einer langen Pause. »Wenn es kein Unfall war, kann es nur jemand gewesen sein, der im Haus wohnte.«
»Die Tochter der Nachbarin, die den Streit bezeugte?«, fragte Eva rasch. Weiher nickte: »Sie war gerade mit der Schule fertig und wollte Medizin studieren. Mein Vater hatte sie dazu ermutigt, obwohl ihre Mutter dagegen war, er hatte ihr Bücher geliehen … und dann kam es zu einer Auseinandersetzung …«
»Mit der Mutter des Mädchens? Wegen des Studiums?«
»Mit dem Mädchen«, berichtigte Weiher. Und dann schien er wieder nichts weiter sagen zu wollen und trank umständlich, wie um Zeit zu gewinnen, von dem Kaffee, den sie ihm hingestellt hatten.
»Sie wissen, worum der Streit ging?« Eva unterdrückte einen ungeduldigen Seufzer und fragte sich, ob Rainer mit dem Angestellten der Windsbraut wohl besser vorankam.
»Nicht genau«, behauptete Weiher ausweichend, fuhr dann aber fort: »Sie hatte ihn als Arzt um einen Gefallen gebeten …«
»Einen Gefallen?«, wiederholte Friedolin verwirrt, doch Eva erklärte: »Sie hat ihn gebeten, bei ihr eine Abtreibung durchzuführen? Sie war schwanger?«
Der alte Mann nickte. »Und ihre Mutter war sehr streng und altmodisch. Sie wollte ihre Tochter auch so schon nicht Medizin studieren lassen. Wenn sie von der Schwangerschaft erfahren hätte, hätte sie sie vor die Tür gesetzt.«
»Der Name? Wie hießen die Nachbarn?«
»Brandt«, antwortete Weiher nach einer kurzen Pause. »Olga und Margarete Brandt.«
Eva warf Friedolin, der noch immer die alten Akten in der Hand hielt, einen fragenden Blick zu, und er nickte: »Brandt ist der Mädchenname von Margarete Hofmann«, bestätigte er. »Damals wohnhaft im selben Haus wie Friedrich Weiher.«
Eine Weile lang sagte keiner der drei etwas. Evas Blick wanderte wieder aus dem Fenster hinaus in den weiter strömenden Regen. So weit, so gut, dachte sie. Aber ganz genau wussten sie immer noch nicht, wer
Weitere Kostenlose Bücher