Sakrament der Lust
ich mich aus seiner Umarmung heraus.
«Ich muss mich korrigieren! Paul, du bist nicht nur ein Schuft, sondern ein äußerst arroganter Schuft!», ergänze ich kalt.
Damit hat er offensichtlich nicht gerechnet. In seinen Augen kann ich die Verwunderung deutlich sehen. Ich kehre ihm den Rücken und geselle mich zu Jasmin, als gerade wieder eines meiner Bilder von seiner schwarzen Hülle befreit wird.
«Ich verstehe zwar nichts von Kunst, Jana, aber ich muss schon sagen, deine Bilder treffen ein Gefühl ganz tief in mir drin. Wenn ich mir eines leisten könnte, würde ich mir auch eines kaufen!», flüstert sie mir zu.
Ich lächle vielsagend zurück. Dann weiß ich ja schon, was ich ihr zum nächsten Geburtstag schenke. Inzwischen sind wir beim letzten Bild angekommen.
«Und zum Abschluss möchte ich Ihnen noch ein besonders lebendiges und ausdrucksstarkes Portrait präsentieren. Könnte das die Muse sein, die Frau Herbst zu so viel gefühlvollen Bildern inspiriert hat?»
Ich glaube nicht recht zu hören! Das war so absolut nicht abgesprochen. Ich fuchtle wild mit den Armen, denn ich will auf gar keinen Fall, dass Julians Bild hier gezeigt wird. Und verkaufen will ich es schon gar nicht! Aber es ist zu spät! Herr Zweig zieht das schwarze Tuch herab und alle Augen starren auf Julians Portrait. Die meisten Leute klatschen, aber andere beginnen wild miteinander zu tuscheln. Genau wie meine Tochter brauchen sie nur eins und eins zusammenzählen und sie wissen genau, wer den skandalösen 'Zwischenfall' in der Kirche verursacht hat. Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen. Das darf doch alles nicht wahr sein. Ein Blitzlichtgewitter erfasst nicht nur das Bild – jetzt stehe ich selbst im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Reporter hält mir ein Aufnahmegerät vor die Nase.
«Frau Herbst, kann es sein, dass diese überaus beeindruckenden Bilder durch die verzweifelte Liebe zu einem Priester entstanden sind?»
Jemand hält mir Mikrofon vor den Mund, so dass es fast meine Lippen berührt.
«Was ist dran an den Gerüchten, dass Pater Siebert öffentlichen Beischlaf in einem sakralen Gebäude vollzogen hat?»
Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Ich will nur noch raus hier!
«Kein Kommentar!», rufe ich.
Dann nehme ich Julians Portrait von der Wand und flüchte damit aus dem Saal. Wahrscheinlich ist das so ziemlich das dümmste und ungeschickteste, was ich machen kann, aber meine inneren Fluchtinstinkte haben einfach die Kontrolle über mich gewonnen.
Ich stehe mit dem Bild draußen im Regen. Die Übelkeit übermannt mich und ein Teil meines Mageninhaltes landet auf dem Gehweg. Plötzlich sind Lisa und Jasmin neben mir. Jasmin legt einen Arm um mich und geleitet mich zu ihrem Auto (ich war heute viel zu aufgeregt gewesen, um selbst zu fahren). Wir steigen alle schweigend ein und Jasmin fährt mich nach Hause.
«Mom, dieser Zweig wird noch seine Abreibung bekommen!», sagt Lisa nach einer Weile.
«Lass mal, Schätzchen. Ich glaube nicht, dass er sich bewusst war, was er mit dem Portrait anrichtet.»
«Trotzdem! Es ist unverzeihlich, so etwas ohne Absprache mit dir zu präsentieren!», wirft Jasmin ein.
Die Wischblätter der Scheibenwischer streichen quietschend über die Windschutzscheibe.
«Es lässt sich nicht mehr rückgängig machen! Und so hat sich der schönste Tag in meinem Leben – neben der Hochzeit mit Paul – in einen Alptraum verwandelt.»
«Das ist aber auch wirklich zu dumm gelaufen!», ruft Jasmin verärgert.
Als wir zu Hause ankommen, bleibt Jasmin noch bei mir und wir reden über die verpatzte Vernissage.
«Aus und vorbei der Traum!», jammere ich.
«Ach, das muss doch gar nicht sein! Deine Bilder sind in jedem Fall gut angekommen und ich bin sicher, die Leute werden sich darum reißen!»
«Irgendwie kann ich mich gar nicht richtig darüber freuen!»
«Das ist nur der erste Schock! Du wirst sehen, wenn sich die Gemüter beruhigt haben, läuft alles seinen gewohnten Gang!»
«Ich hoffe wirklich, dass du Recht behältst!»
Ich habe den ganzen Tag über kaum etwas gegessen, weil mir so schlecht war vor Aufregung. Noch immer fühle ich eine leichte Übelkeit.
«Jetzt haben wir sogar das schöne Buffet verpasst!», jammere ich. «Auch wenn mir noch immer ein bisschen schlecht ist, sollten wir doch etwas essen! Möchtest du auch ein Brötchen?»
«Hm, nein danke, ich werde nachher sowieso noch mit meiner Familie zu Abend essen.»
Da ich aber dringend Nahrung brauche, zwinge ich mir zwei
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