Sakrament der Lust
mit hinein und lese alles noch einmal gründlich durch. Wie soll ich das Julian erklären, wenn er wieder da ist? Anderseits ist nichts neues über Julian zu lesen, viel mehr ich bin es, die ein Geheimnis Preis gibt. Das Telefon klingelt und am Apparat meldet sich Herr Zweig.
«Gratuliere, Frau Herbst! Wir haben alle Ihre Bilder zu sensationellen Preisen verkauft! Sie sind jetzt eine reiche Frau!», platzt er heraus.
Darüber kann ich mich im Augenblick nicht wirklich freuen.
«Was fällt Ihnen ein, mich so bloßzustellen mit dem Portrait! Ich habe mich in Grund und Boden geschämt und die ganze Aktion hätte auch völlig nach hinten losgehen können!», schreie ich wütend durchs Telefon.
«Ja, es tut mir Leid, ich gebe ja zu, das war nicht ganz in Ordnung von mir, aber ich wusste wirklich nicht, dass es sich um einen Priester handelt und dass ich Sie damit in eine so peinliche Lage bringe. Anderseits hat diese Sensation den Wert Ihrer Werke erheblich gesteigert.»
«Ich will nicht, dass meine Bilder wegen schmutziger Sensationslust gekauft werden, sondern weil sie gut sind!», rufe ich aufgebracht.
«Ich versichere Ihnen, der Hauptgrund für das rege Kaufinteresse lag in der Qualität Ihrer Werke, die Sensation hat lediglich den Preis gesteigert. Wenn Sie ein Problem damit haben, spenden Sie einen Teil des Geldes doch an eine wohltätige Organisation. Das würde bei den Käufern sicherlich auch positiv ankommen. Besonders, da man Sie ja jetzt auch noch mit einem Priester in Verbindung bringt.»
Ich schnaube verächtlich und lege einfach auf. Auch wenn mir die Art missfällt, wie Herr Zweig die Spende erwähnt, im Grunde gefällt mir die Idee. Julians Mission kann sicherlich eine finanzielle Unterstützung gebrauchen und vielleicht könnte ich damit wenigstens etwas wieder gutmachen. Ich lege das Telefon weg und kehre in die Küche zurück.
Als mein Blick auf den Schwangerschaftstest auf dem Tisch fällt, lacht dieser mich schadenfroh an – zumindest kommt es mir so vor. Ich packe ihn und verschwinde damit im Bad. Mit dem Teststreifen in der Hand kehre ich zurück und jetzt muss ich noch fünf Minuten abwarten. Warum nur vergeht die Zeit immer gerade dann besonders langsam, wenn man auf etwas wartet? Ich laufe unruhig in meiner Küche umher, dann mache ich einen Spaziergang durch meine gesamte Wohnung, um die Zeit irgendwie hinter mich zu bringen. Endlich ist es so weit! Mein Herz pulsiert kräftig bis in meine Halsschlagader und verbreitet ein Schwindelgefühl in meinem Kopf. Ich halte den Test hoch und starre auf die zwei roten Streifen, die sich dort deutlich abzeichnen. Ich bin tatsächlich schwanger! Ich trage Julians Kind in mir! Eine seltsame Mischung aus Angst, Verzweiflung und einem tiefen Glücksgefühl breitet sich in mir aus. Ich ziehe mir das Kleid über den Kopf, werfe es in die Ecke und betrachte meinen Bauch. Ich streichle mit beiden Händen darüber und stelle mir vor, wie es jetzt aussieht da drin. Von den Ultraschalluntersuchungen mit Lisa weiß ich noch, dass man zuerst das winzige Herz schlagen sieht. Und dann, wenn die neun Monate glatt laufen, hält man plötzlich ein winziges Baby im Arm. Ob das Kind Julians warme Augen haben wird oder die Grübchen, die sich um seine Mundwinkeln bilden, wenn er lacht? Ich schüttele mich. So weit sollte ich noch gar nicht denken. Zu Beginn einer Schwangerschaft kann noch viel passieren und außerdem sollte meine größere Sorge im Moment sein, wie ich das Julian schonend beibringe. Aber vielleicht sollte ich damit besser noch warten, bis ich ganz sicher bin. Es klingelt an der Tür, ich schlüpfe rasch wieder in mein Kleid und öffne.
Dann geht alles ganz schnell. Ein Mann komplett in Schwarz fasst mich beim Handgelenk, wirbelt mich herum, drückt mir einen Arm auf dem Rücken schmerzhaft nach oben und presst mir den kalten Lauf einer Schusswaffe an die Schläfe. Ich schreie angstvoll auf und mein Herz bleibt förmlich stehen vor Schreck. Der Mann drückt mich ins Haus hinein und knallt mit dem Fuß die Tür ins Schloss. Was will der Kerl von mir?
«Wo ist dieser verdammte Priester!», zischt eine rostige Stimme in mein Ohr.
Was? Meint er Julian? Wie kommt er da auf mich?
«Was meinen Sie?», flüstere ich erstickt.
«Na der Typ, den du gemalt hast! Wo ist der Kerl?»
Mir geht ein Licht auf. Der Mann hat Julians Bild in der Zeitung entdeckt und versucht ihn nun über mich ausfindig zu machen.
«Ich weiß es nicht!», lüge ich.
Meine Stimme
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