Sakrament der Lust
Brötchen mit Senf und Marmelade hinunter. Jasmin mustert mich mit großen Augen.
«Also Jana, wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde wetten, du bist schwanger!»
Mir bleibt der Bissen schier im Halse stecken bei ihren Worten.
«Das kann überhaupt nicht sein! Ich nehme die Pille und meine letzte Periode liegt zwei Wochen zurück», entgegne ich.
«Die Pille kann versagen und es kommt auch ab und zu vor, dass man noch einmal eine Monatsblutung hat.»
Adrenalin steigt in meinen Kopf und vollführt wilde Tänze. Meine letzte Blutung fiel ungewöhnlich leicht aus, fällt mir jetzt ein. Ich laufe ins Bad und kehre mit dem Streifen wieder, in dem die kleinen Hormontabletten aufgereiht sind.
«Welcher Tag ist heute?», frage ich, obwohl ich genau weiß, dass wir Sonntag haben.
Das letzte leere Fach für die Pille, die ich genommen habe, zeigt ein 'Fr' für Freitag. Ich lasse mich auf den Küchenstuhl fallen. Ich habe also zwei mal die Pille vergessen und die ganzen letzten Wochen nicht einmal auf die Beschriftung der Tabletten geachtet! Wo habe ich nur meinen Kopf? Ich werfe den Streifen in hohem Bogen in den Papierkorb und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Warum zu Teufel habe ich nicht auf die Wochentage geachtet? Ich war einfach zu abgelenkt, mal wieder viel zu chaotisch, um mich um solche 'Details' zu kümmern. Schwanger! Das fehlte mir noch! In meinem Kopf arbeitet es fieberhaft. Ich habe sowohl mit Paul als auch mit Julian geschlafen. Bei Paul war es kurz vor meiner Periode. Das erleichtert mich ein wenig, da es äußerst unwahrscheinlich ist, dass er als Vater in Frage kommt. Nach Paul hatte ich zudem zwei Monatsblutungen - nach Julian nur diese eine schwache.
«Jana, alles in Ordnung?», fragt Jasmin besorgt.
«Ich habe zwei mal die Pille vergessen und die letzte Periode fiel tatsächlich ziemlich schwach aus!», erkläre ich langsam.
«Wenn Gott das Chaos neu erschaffen will, dann schickt er am besten Jana!»
Ich weiß, sie versucht mich mit ihren Scherzen aufzumuntern, aber dafür bin ich im Augenblick viel zu geschockt.
«Sicher ist noch immer nichts, Jana. Du musst gleich morgen zum Frauenarzt, um Gewissheit zu bekommen!»
«Und wenn ich wirklich schwanger bin, was soll ich dann tun? Der Vater ist ein Priester!»
«Das wäre sicherlich nicht das erste Priesterkind, glaube mir!»
«Julian ist in Brasilien! Soll ich ihm überhaupt davon erzählen?»
«Natürlich muss er das wissen, Jana! Was meinst du, wie er reagiert, wenn ihr euch irgendwann wiederseht und er merkt, dass du ihm die ganze Zeit sein Kind verheimlicht hast! Aber jetzt mach dir mal nicht allzu viele Gedanken. Vielleicht sind das sowieso alles nur Hirngespinste und du bist gar nicht schwanger!»
Schwarzgeld
Am nächsten Tag komme ich gerade mit einem neu gekauften Schwangerschaftstest nach Hause, als jemand die lokale Wochenzeitung in meinen Briefkasten wirft. Ich fische sie heraus und blättere darin. Weit komme ich nicht. Die gesamte zweite Seite wird von einem Artikel der Vernissage überspannt . Im Zentrum ist das Portrait von Julian abgebildet und auf der rechten Seite sieht man ein Foto meiner Werke, ein Bild von mir gemeinsam mit Herr Zweig und eines, auf dem ich mein Gesicht beschämt in den Händen vergrabe. Meine Hände schwitzen und zittern, als ich hastig den Text überfliege.
'...im sensationellen Höhepunkt der Vernissage wird das Portrait des Pfarrers unserer Gemeinde enthüllt. Stellt sich die Frage, weshalb die Künstlerin gerade unseren Pfarrer Julian Siebert für ein so lebendiges Portrait auswählte. Nach den Ausführungen von Herrn Zweig hat er die Künstlerin zu ihren emotionsgeladenen Werken inspiriert. Im Kontext mit dem jüngsten Vorfall, bei dem Pater Siebert noch während der Messe mit einer Frau in intimer Zweisamkeit beobachtet wurde, überlassen wir weitere Spekulationen der Fantasie unserer Leser. Fakt ist, dass zahlreichen Priestern die Enthaltsamkeit Probleme bereitet und dass Pater Siebert nach dem Zwischenfall in der Kirche nach Südamerika beordert wurde.
Das sollte jedoch das Ansehen unserer Künstlerin Jana Herbst nicht schmälern, denn ihre Werke strahlen etwas ganz besonderes aus und stehen der Kunst der bekannten Meister in nichts nach. Sollten unsere Leser einmal in den Genuss ihrer Kunst kommen wollen, können sie ein Werk im Foyer unserer Redaktion bewundern.'
Es hätte schlimmer kommen können, denke ich, nachdem ich den Artikel überflogen habe. Ich nehme die Zeitung
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